Die Fußball-Weltmeisterschaft ist allgegenwärtig. Oder sollte ich sagen, “allwiderwärtig”? Überall rennen Leute, die Fußball nur aus dem Fernseher kennen, in billigen Replika-Nationaltrikots rum, haben ihre Autos verschwarzrotgoldet, tragen “witzige” Fanartikel in den bundesrepublikanischen Farben, blasen auf ihrer Tankstellen-Vuvuzela und feiern das Event. Denn genau das ist es für sie: Eine große Partie. Der Sport ist da schnell (im Grunde von Anfang an) nur noch Nebensache. Nun ja, die für die Bundesrepublik auflaufende Mannschaft ist seit Mittwochabend sowas ähnliches wie raus aus dem Turnier – es geht am Sonnabend nur noch um den dritten Platz, im Volksmund auch “goldene Ananas” genannt. Ob die so abgrundtief enttäuschten Massen, die man die gesamte Saison über auf keinem Fußballplatz findet, für dieses bedeutungslose Spiel noch einmal ihre tränenverschmierten Axe-Trikots und die Auto-Flaggen rauskramen? Schaun mer mal, würde ein relativ bekannter Ex-Kicker wohl sagen. Ich würde darauf allerdings nicht wetten wollen.
Während die deutsche Fernsehnation so plötzlich diese periodisch wiederkehrende Mischung aus Nationalbewusstsein und Fußballinteresse für sich entdeckt, wird anderswo zum Glück echter Fußball gespielt – in Ländern, deren Saison sich nach dem Kalenderjahr richtet. Zum Beispiel in Norwegen, wo wir dieses Jahr zufällig unseren Urlaub verbrachten. Und genauso zufällig hatte der Verein der Region, in der wir Quartier genommen hatten, genau in der Woche ein Heimspiel.
Nach all dem Vuvuzela-Getröte, der ständigen Flaggenparade auf jeder deutschen Straße und dem medialen WM-Overkill bedeutete das Spiel des Tippeligaen-Aufsteigers FK Haugesund gegen Start Kristiansand mein ganz persönliches WM-Highlight. Echter Fußball! Fangesänge, rhythmisches Klatschen, Raunen, Jubeln! Hach, war das schön. U’nd nirgendwo deutsche Event-Fans, die ihre Fanartikel nur dann rauskramen, wenn es mal wieder was zu feiern gibt. Ganz egal, wer warum spielt.