Bürgerbefragungen sind HandarbeitSeit einer guten Stunde haben die Wahllokale geschlossen – die erste Bürgerbefragung in der Geschichte der Stadt Braunschweig ist also bereits Geschichte. Das amtliche Endergebnis lautet, dass sich 60,3% der rund 200.000 wahlberechtigten Braunschweiger für die Modernisierung des städtischen Stadions ausgesprochen haben, bei einer überraschend hohen Wahlbeteiligung von 32,9%. Die Wahl ist gewonnen – nun lasst die Bagger rollen.

Dass man hier über eine vergleichsweise harmlose städtische Baumaßnahme abstimmen ließ, bei der weder ein Naturschutzgebiet platt gemacht noch ein See trocken gelegt oder ein Dorf überflutet wird, rückt diese Bürgerbefragung in ein etwas diffuses Licht. Denn sicherlich ist das Einbeziehen der Bürger grundsätzlich ein gutes und sinnvolles Vorgehen – allerdings sollte man sich dafür wirklich wichtige Themen vorbehalten. Oder wenigstens solche, bei denen wirklich etwas an der Nutzung einer Fläche verändert wird – die Schloss-Arkaden, ein austauschbares Einkaufszentrum in pseudo-historischer Fassade, für das der Schlosspark geopfert wurde, hätten sich für eine Abstimmung sicherlich angeboten. Damals aber hatte man beim Rat der Stadt Braunschweig kein Interesse daran, die Meinung der Braunschweiger einzuholen – allein in meinem eigenen, eher konservativen Bekanntenkreis gab es eine gefühlte 80%ige Ablehnung des Projekts. Wie mag es da bloß in linkeren Kreisen ausgesehen haben? Aber gut, Stuttgart 21 war nicht damals, sondern  ist erst heute. Die Aktionisten in der Politik brauchten auf die Schnelle ein Thema zum Abstimmen – ob es sinnvoll ist oder nicht.

Was bleibt nach dieser Bürgerbefragung, die da so plötzlich und irgendwie unmotiviert auf dem Kalender stand? Erst einmal die Kosten von etwa 150.000 Euro, die wegen des doch vorhersehbaren Ergebnisses vermeidbar gewesen wären. Dieses Geld hätte man sicherlich anderweitig nutzen können und sollen.

Die Haupttribüne im Eintracht-Stadion wird modernisiert
Die Haupttribüne im Eintracht-Stadion wird modernisiert

Einen bleibenden Eindruck aber hat sicherlich die Streitkultur hinterlassen, die während des “Wahlkampfes” zutage trat. Da haben staatlich subventionierte Parteien (Linke, Die Grünen, BiBS) viel Geld in die Hand genommen, um die vermeintlich unsoziale Seite der Modernisierung zu beleuchten. Besonders die SED-Nachfolger und ihr Klon BiBS haben von Anfang an aggressiv und polemisierend versucht, eine neuerliche Neiddebatte vom Zaun zu brechen. Dabei wurden dann gern mal Äpfel mit Birnen verglichen,  falsche Zahlen (natürlich zu hohe) genannt und sogar das sozialistische Paradies auf Erden versprochen, wenn doch nur das Stadion baufällig bliebe. Während man von den ewig Vorgestrigen, die eine komplette Durchsubventionierung des BFC Dynamo durch ihre Vorgängerpartei einst übrigens völlig in Ordnung fanden, so etwas erwarten musste, hat die Haltung der Grünen, die sich ins dunkelrote Fahrtwasser begaben und in verblüffend ähnliche Kerben schlugen, doch enttäuscht. Mal sehen, an wieviel davon sich die Braunschweiger bei den kommenden Wahlen erinnern werden.

Was wäre eigentlich die Folge gewesen, wenn die Abstimmung verloren gegangen wäre, sich eine Mehrheit also gegen die Modernisierung ausgesprochen hätte? Nun, das Stadion wäre sicherlich nicht so geblieben, wie es jetzt ist. Der Rat hätte Wege und vor allem Mittel finden müssen, die nötigen Baumaßnahmen irgendwie durchführen zu lassen, denn dass die Modernisierungen in ihrer Gesamtheit notwendig sind und erfolgen müssen, steht außer Frage. Dann hätten eben irgendwelche städtischen Gesellschaften, existierende oder noch zu gründende, in die Bresche springen müssen.

Und trotzdem, für das Eintracht-Stadion bedeutet das heutige Abstimmungsergebnis bestenfalls eine Gnadenfrist. Denn der Verein Eintracht Braunschweig wird, wenn man auf absehbare Zeit konkurrenzfähig werden will, nicht um den Neubau eines (eigenen) Stadions herum kommen. Es sei denn, man kauft das Eintracht-Stadion von der Stadt zurück und baut es entsprechend selbst um. Das allerdings dürfte teurer kommen als ein Neubau, bei dem man auch noch weniger gegebene Einschränkungen einkalkulieren muss.