Mit dem Bus nach BremenEintracht ist sexy. So sexy, dass man aktuell eine Menge Glück benötigt, um Karten für die Heimspiele der Löwen zu bekommen. Natürlich könnte man sich die Karten später, nachdem der BTSV “ausverkauft” meldet, bei Ebay besorgen und damit die Taschen derer füllen, die sich zwar als Eintracht-Fans bezeichnen, aber kein Problem damit haben, die Not anderer Fans auszunutzen, um ein paar Euro extra zu machen. Aber auf Ebay kaufe ich aus Prinzip keine Eintracht-Karten. Allein schon, um die Geldgeier nicht zu unterstützen. Eintracht hat ja angekündigt, die AGB (in denen deutlich steht, dass ein Weiterverkauf im Online-Auktionshaus verboten ist) durchsetzen zu wollen. Bis es soweit ist, muss man als Auswärtiger, der beim Kartenverkauf Pech hatte, eben nach Alternativen suchen.

Für mich als Bremerhavener sind die Amateure von Werder Bremen eine recht naheliegende Alternative. Kurze Anfahrt, Tickets gibt es reichlich, und mangels Emotionen ist auch nicht mit Ärger zu rechnen. Kein Wunder also, dass Werders Zwoote für mich in den letzten Jahren häufiger zum Ziel wurde. Wobei mich die Bremer kein Stück interessieren – man schaut sich Zweitvertretungen in der Regel wegen deren Gegner an. Das haben sie also mit dem VfL Wolfsburg gemeinsam.

Hurra, Hurra, die Wehener sind da! Allerdings nicht alle.
Hurra, Hurra, die Wehener sind da! Allerdings nicht alle.

Am Sonnabend hieß der Gegner SV Wehen (Wiesbaden). Während es für die Amateure des SV Werder auf Platz 11 um nichts anderes als den Klassenerhalt ging – nur ein Sieg würde die Chance auf den Verbleib in der dritten Liga wahren – durften sich die Hessen noch Hoffnungen auf den Relegationsplatz machen, wofür sie ebenfalls einen Sieg benötigten. Es war also alles angerichtet für einen spannenden Fußballnachmittag jenseits der Partymeile Braunschweig.

Während das Bremer Publikum die reduzierten Eintrittspreise gut nutzte – ein Stehplatz kostete einen Euro, ein Sitzplatz drei – blieb das Interesse aus Wehen weit hinter den Erwartungen (besonders meiner) zurück. Insgesamt mögen es 300 Hessen gewesen sein, die den Weg an den Osterdeich fanden. Doll ist das nicht. Man stelle sich vor, was los gewesen wäre, wenn in gleicher Konstellation einer der anderen drei Topklubs der Liga, also Eintracht, Hansa Rostock oder Dynamo Dresden, dort hätte spielen müssen. Die Gästekurve wäre proppenvoll gewesen. Selbst Wismut hatte letzte Saison zum Saisonfinale als bereits feststehender Aufsteiger über 1500 Fans zum Feiern mitgebracht. Image-/Interesseprobleme beim SV Wehen?

Im Hintergrund sieht man den mau gefüllten Block der Wehener. Woran lag's? Verkaufsoffener Sonntag in Wiesbaden?
Im Hintergrund sieht man den mau gefüllten Block der Wehener. Woran lag's? Verkaufsoffener Sonntag in Wiesbaden?

Sportlich lief die Partie wie erhofft. Wehen spielte eine gute erste Hälfte und bestimmte die Partie. Francis Kioyo besorgte nach einer Viertelstunde die Führung für die Gäste, die in der Folge nah dran waren am 2:0. Dass es mit einem Unentschieden in die Kabinen gingen, verdankten die Akteure Schiri Christian Dingert. Der hatte die Nacht anscheinend in Werder-Bettwäsche geschlafen und nach einer durchsichtigen Schwalbe von Kevin Schindler auf den Punkt gezeigt. Auch sonst entschied Dingert im Zweifelsfall eher für die Heimmannschaft. Unglaublich, dass der Mann sogar in der Bundesliga pfeift. Kevin Maek bedankte sich artig und schob den Elfer sicher zum 1:1 ein.

Wenn Kevin Schindler einen Freistoß ausführt, reicht in der Regel eine Ein-Mann-Mauer.
Wenn Kevin Schindler einen Freistoß ausführt, reicht in der Regel eine Ein-Mann-Mauer.

Die Gäste, durch das Ergebnis in Offenbach (hier führte Dynamo) in Zugzwang geraten, begannen die zweite Spielhälfte verkrampft. Dingerts einseitige Regelauslegungen sorgten zusätzlich dafür, dass Wehen sich zunehmend aus den Zweikämpfen heraus hielt und es mit sicheren Bällen versuchte. Fast wie aus dem heiteren Himmel wirkte es dann, als der eingewechselte Tobias Oteng-Mensah Addy-Waku Menga eine Viertelstunde vor Schluss doch noch die Führung erzielte. Bremen knickte ein, Schiri Dingert ebenso, und die Gäste machten durch Tore von Alf Mintzel und Zlatko Janjic (ebenfalls eingewechselt) alles klar. 4:1, Abpfiff.

Vereinstreue: Nach dem 1:2 verließen die Bremer Zuschauer das Stadion in Massen... wenigstens Arnd Zeigler (rechts oben) blieb noch ein wenig.
Vereinstreue: Nach dem 1:2 verließen die Bremer Zuschauer das Stadion in Massen… wenigstens Arnd Zeigler (rechts oben) blieb noch ein wenig.

Jetzt begann das Gezittere, denn in Offenbach wurde noch gespielt. Dresden führte dort 3:2, ein einziges Kickers-Tor würde Wehen auf Platz drei helfen. Die Fans in der Kurve klebten am Radio oder am Smartphone, die Spieler belegten den Laptop des NDR und schauten dort den Livestream aus Offenbach. Allerdings wurde schnell klar, dass es nichts würde mit der hessischen Schützenhilfe. Deprimiert schlichen die Wehener Spieler in die Kabinen.

Zittern vor dem Bildschirm. Aber Offenbach leistete keine Schützenhilfe.
Zittern vor dem Bildschirm. Aber Offenbach leistete keine Schützenhilfe.

Einziger Aufreger des Tages war noch der obligatorische Anraunzer eines Elko-Sicherheitstypen, der sich für unglaublich wichtig hielt und nicht mitbekommen hatte, dass der Rest der Menschheit bereits aufrecht geht. Elko, das ist eine Bremer Sicherheitsfirma, die Personal stellt für die Heimspiele des SV Werder. Bei der Ersten läuft das in der Regel gut, bei der Zwooten nerven sie manchmal bereits extrem. Richtig ärgerlich kann es aber beim FC Oberneuland werden, bei dem die Firma ebenfalls tätig ist. Blöderweise können die Mitarbeiter von Elko nämlich anscheinend nicht zwischen Bundesliga und Regionalliga / Oberliga unterscheiden. So bilden sich auch bei nur 200 Zuschauern gern mal Schlangen am Eingang, weil der Knabe in der roten Jacke noch den Rucksack des Pressevertreters durchwühlen muss oder die beiden Gästefans ihre Schuhe ausziehen dürfen…

Den Ausklang dieses Tages bildete das Hören der Bundesliga-Konferenz im Auto. Bis 16:59 war die Welt in Ordnung, dann bekam SAP die zugesagte Autolieferung von Volkswagen. Eine Plastikkrähe hackt der anderen eben kein Auge aus.