Wohl kaum ein Fußballverein in Deutschland ist weiter entfernt von seinem eigenen Image als der FC St. Pauli. Grund für eine Verurteilung? Oder sollte man der Marketingabteilung der Hamburger dafür lieber Respekt zollen? Die Leopedia, Euer Online-Fachmagazin für Markenbildung und Imageaufbau, hat sich die Braunen mal genauer angeschaut.

Der FC St. Pauli hat es irgendwie geschafft. Der Kiez-Klub besitzt ein Image, das so wertvoll ist wie die Lizenz, selbst Geld drucken zu dürfen. Wenn man den ständigen Floskeln der Medien glauben darf, sind die Hamburger etwas ganz besonderes, die ganz große Ausnahme im Profigeschäft: anti-kommerziell, sie haben die friedlichsten, feierwütigsten Fans der Republik und müssen als ständiger Außenseiter mit einem Minimum an Mitteln auskommen. Klingt toll, oder?

Bereits der oberflächliche Blick auf den Verein zeigt, dass vieles, was sich der FC St.Pauli als Image aufgebaut hat und auch gern pflegt, nicht mit der Realität übereinstimmt. Drei kleine Beispiele:

Image 1: Der Verein ist non-kommerziell.

Kann man sich als Profisportverein überhaupt der Kommerzialisierung verschließen, wenn man wenigstens dabei bleiben möchte? Natürlich nicht. Und das gilt auch für den FC St. Pauli. Im Gegenteil ist der Klub bundesweit einer der umtriebigsten, was neue Möglichkeiten der Vermarktung und Produkte angeht. Man bezeichnet sich als Freibeuter der Liga und verkauft Textilien mit Totenkopflogo – genial einfach, super erfolgreich. Oder: man besiegt den FC Bayern München und nennt sich Weltpokalsiegerbesieger (was man natürlich auch als T-Shirt kaufen kann). Dadurch, dass man den eigenen Ruf als “linker” Verein kultiviert, werden die eigenen Fanartikel attraktiv für Käufergruppen, die mit Bundesligafußball normalerweise nichts am Hut hätten: den Modepunk mit dem gekauften Stil. Wer trägt da noch das T-Shirt aus England, das er angeblich in der Mülltonne fand, wenn es so schnucklige, politisch korrekte Totenkopf-Pullis gibt?

Image 2: St. Pauli-Fans sind friedlich und feiern gern.

In der Masse wahrscheinlich schon. Aber das trifft auf alle Fangruppen zu, auch und gerade auf die in den Medien so gern gescholtenen Anhänger von Eintracht Frankfurt,

Beim TuS gibt es keine Bierbecher ;)
Beim TuS gibt es keine Bierbecher 😉

Hansa Rostock, etc. Schwarze Schafe gibt es nunmal überall. Auch beim FC St. Pauli. Nur finden die Ausraster dieser Schafe in den Medien kaum statt. Da muss schon ein Schiri-Assi nach einem Becherwurf umfallen, damit eine Berichterstattung stattfindet. Die ganz alltäglichen Pöbeleien und Verstöße gegen die Stadionordnung, die bei anderen Bundesligisten sofort zu Entrüstungsstürmen in den Boulevardmedien führen würden, scheinen in Bezug auf die Braun-Weißen uninteressant. Bengalos, Flaschen- oder Steinwürfe vorm Stadion, Übergriffe auf Gästefans – geht es nach dem Meinungsbild in den Medien, dann hat der FC St. Pauli hier eine komplett weiße Weste. Dass das nicht mal ansatzweise stimmt, das wissen die Gästefans, die es anders erlebten. Aber die waren ja immer selbst die Aggressoren. Oder?

Image 3: Der Klub hat kein Geld und ist ständiger Außenseiter.

Wenn man die Marketing-Maschinerie sieht, die der FC St. Pauli betreibt, kann man nicht glauben, dass dabei kein Geld hängen bleibt. Auch ist das ehemalige Wilhelm-Koch-Stadion ständig (so gut wie) ausverkauft. Natürlich, gut 24.500 Plätze sind nicht viel. Aber da die Eintrittspreise in der Spitzengruppe der zweiten Liga liegen, macht der Verein trotzdem einen guten Schnitt pro Heimauftritt. Der Marktwert als Werbeträger ist dank der hervorragenden PR-Arbeit des Vereins mindestens im Mittelfeld der Bundesliga anzusiedeln. In der Summe sollte also genügend Geld vorhanden sein, um sich dauerhaft in der Bundesliga zu etablieren. Andere Klubs, zum Beispiel der SC Freiburg oder der VfL Bochum, haben es da sicherlich deutlich schwerer.

Es bleibt nicht viel übrig vom Ruf des FC St. Pauli. Der Klub ist weder arm noch non-kommerziell noch ein Gegenkonzept zum Rest der Konkurrenz. Was den Verein aber vom Großteil dieser Wettbewerber abhebt, ist eine exzellente PR- und Marketingarbeit. Man hat die damalige Steilvorlage des Senders Sat1 perfekt genutzt, der die Braun-Weißen in der Saison 88/89 als Farbklecks in einer ansonsten drögen Liga ausmachte und das bis heute gültige Image als Freudenhaus der Liga erfand. Das ist kein Verbrechen, und das ist auch keine Schande. Im Gegenteil bewundere ich die Marketingprofis der Hamburger für ihre Arbeit. Und es gibt augenscheinlich genügend Menschen, die das Image von der rebellischen Kirchenmaus nur zu gern glauben. Ich tu’s nicht.