Wenn die Oberliga Niedersachsen Anfang Juni die Saison beschließt, werden manchenorts sicherlich Kreuze geschlagen – endlich ein Ende, endlich die Chance zum Neuanfang. Denn eine derart chaotische Spielzeit hat der Norden wohl noch nie erlebt. Nicht ganz unschuldig an den turbulenten Verhältnissen ist dabei der Niedersächsische Fußballverband, der erst bei der Lizenzvergabe patzte und im Anschluss ein nahezu unterirdisches Krisenmanagement an den Tag legte.
Begonnen hat der Schlammassel in der Sommerpause. Da verweigerte die Prüfungskommission des NFV dem BSV Kickers Emden die Lizenz für die Oberliga. Dieser Schritt kam für Kenner der niedersächsischen Fußballszene nicht allzu überraschend. Denn Kickers hatte noch aus Zeiten der Drittligazugehörigkeit immense Schulden, die man naturgemäß in einer Oberliga nicht abbauen kann. In einer undurchsichtigen Revisionsverhandlung kippte das Präsidium des NFV die Entscheidung seiner Prüfungskommission allerdings wenige Tage später wieder: Emden erhielt die Lizenz, dafür musste Arminia Hannover den Gang in die Landesliga antreten. Bitter, denn die Blauen hatten sauber gewirtschaftet und so den sportlichen Klassenerhalt verpasst.
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Es kam, wie es kommen musste. Noch vor der Winterpause strich Kickers Emden die Segel – um die drei Millionen Euro Schulden hatte der Verein bis dahin angehäuft. Emden beantragte Insolvenz und stand damit als Absteiger fest. Kurze Zeit später folgte Eintracht Nordhorn, allerdings plagen die Grafschafter deutlich geringere Verbindlichkeiten in Höhe einer mittleren sechsstelligen Summe.
Die Spielordnung zwang den Oberligavereinen nun eine Menge unsinniger und unwirtschaftlicher Testspiele auf. Denn, wenn Kickers Emden und Eintracht Nordhorn die Folgesaison in der sechsten Liga starten wollten, mussten sie die Serie zuende spielen – der sportlichen Bedeutungslosigkeit zum Trotz, denn sämtliche Partien mit Beteiligung eines der beiden Vereine wurden aus der Wertung genommen, bereits stattgefundene ebenso wie zukünftige. Angesichts der weiten Anfahrten oder der zu erwartenden Minuserträge bei den eigenen Heimspielen sagte der Großteil der Oberligisten die Partien gegen die beiden Insolvenzvereine ab. Dabei kam ihnen der Verband entgegen: bei einer solchen Absage, kündigte man in Barsinghausen an, würde man lediglich die niedrigsten Strafen zu zahlen haben.
Doch so ganz wohl war es den Funktionären mit dieser Regelung wohl nicht. Oder warum forderte man den TSV Ottersberg Mitte April dazu auf, seine Partie gegen Emden auf jeden Fall auszutragen? Ottersberg fügte sich dem Wunsch des Verbands und ließ Kickers anreisen. Die bunte Truppe der Ostfriesen zeigte sich überraschend stark und gewann die Partie mit 1:0. Ein japanischer Student, der in der Winterpause vom TSV Winsen an den Dollart gekommen war, hatte den Treffer erzielt.
In der folgenden Woche hätte Emden ein Heimspiel gehabt. Wie nicht anders zu erwarten war, sagte der Gegner dieser Partie ab. Das allein wäre keine Meldung wert gewesen, denn das hatte vorher zum Beispiel Eintrachts Zwoote auch getan. Was es im Fall der Rehdener so bemerkenswert macht, ist der Umstand, dass die Oberligatruppe an dem Wochenende in der Reserve antrat. Mit einem Ergebnis, das nicht mehr an Wettbewerbsverzerrung grenzt, sondern sie klar bedeutet. Denn Rehden II, ein Kellerkind der Bezirksliga, gewann gegen den Spitzenreiter FC Sulingen mit 3:0. Die Torschützen: Erdal Ölge (21 Einsätze in der Oberliga / 8 Tore) und Mehmet Koc (23/12). Dass Sulingen nach dieser Partie kein Spitzenreiter mehr war, lag auch an dem Spieltag davor. Da war die Zweite des BSV Rehden nämlich nicht angetreten und hatte dem STK Eilvese so einen 5:0-Sieg geschenkt. Seit Rehdens Sieg über Sulingen ist Eilvese Tabellenführer…
Sicher, was Rehden da gemacht hat, war nicht gegen die Spielordnung. Aber es ist in höchstem Maße unsportlich. Traurig: obwohl der NFV rechtzeitig vor der Partie Kenntnis von den Rehdener Plänen erhielt, ist nichts von einem Eingreifen bekannt. Im Gegenteil: erst auf wiederholte Nachfrage der Leopedia, eures Online-Fachmagazins für Ethik und Moral im Fußballsport, äußerste sich der Verband zu dem Sachverhalt – indem er einen Kommentar verweigerte. Man kann nicht nicht kommunizieren, heißt es. Und: wer die Diskussion vermeidet, über den wird diskutiert. Beim NFV hat man leider keine Ahnung davon, was ein gutes Krisenmanagement ausmacht. Aber wundert es uns wirklich? Übrigens, quasi über Nacht gingen unsere Anmeldedaten nicht mehr. Sicherlich hatte lediglich ein technischer Fehler dafür gesorgt, dass wir uns nicht mehr einloggen konnten und neu anmelden mussten…
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Für den niedersächsischen Fußball geht in wenigen Wochen also ein Pleiten-, Pech- und Pannenjahr zuende. Und wir können aus dieser Spielzeit einiges lernen. Erstens: die Entscheidung, die Teilnahme an der Oberliga mit einer Lizenzierung zu verbinden, war grundsätzlich richtig. Zweitens: wenn Fachleute dann über Lizenzen entscheiden, sollte man ihnen vertrauen. Drittens: geredet wird so oder so. Das kann man den Menschen nicht verbieten. Sich aus der Diskussion heraus zu halten bedeutet nichts anderes als Kommunikation zu verweigern. Das mag vor 20 Jahren noch funktioniert haben. Mittlerweile aber ist diese Haltung falsch und gefährlich.