ich war zunächst erschüttert über die Information, dass man den Braunschweiger Anhängern bei einem möglichen Drei-Punkte-Gewinn gegen Ihre Fußballmannschaft und den damit verbundenen Aufstieg in die Elite-Klasse des deutschen Fußballs, quasi die Freude darüber verbieten will. Kein – in solchen Moment üblichen – „Platzsturm“, um mit dem Team, UNSEREN LEGENDEN, diesen historischen Moment, ein weiteres, herausragendes Ereignis in unserer nahezu 120-jährigen Vereinsgeschichte, feiern zu lassen. Keine für uns Fans traditionell übliche Choreografie, um UNSEREN HELDEN und umsichtigen Verantwortlichen dafür zu danken, dass Sie ohne die Seele des Vereins zu verkaufen, mit einem für Zweitligaverhältnisse mickrigen Etat etwas unglaubliches geschaffen haben und uns nach 28 Jahren wieder in die Liga zurück führen, die unsere Eintracht 1963 mit gegründet hat. Ja, ich war erschüttert, sogar empört! Doch dann habe ich darüber nachgedacht, woher solch eine Ignoranz gegenüber Traditionen, Emotionen und Sitten herrühren kann und bin über einige Dinge gestolpert, die mir vieles klar werden ließen.

Da ist zunächst erst einmal das Gründungsjahr. Null-Vier. Wer sich nur oberflächlich mit Fußball befasst, könnte meinen, dass der FC Ingolstadt auf eine langjährige Tradition zurückblicken kann. Null-Vier, das klingt nach 109-jähriger Vereinsgeschichte. Das klingt nach Namhaften Clubs wie BVB 09, nach S04, TSV 1860 München, Düsseldorfer Turn- und Sportverein Fortuna 1895 e. V., oder gar der von uns nicht so sehr geliebte Hannoversche Sportverein von 1896 e. V.. Dass Sie, liebe Verantwortliche, gerade mal auf satte neun Jahre Bestandszeit zurückblicken können, erklärt ein wenig warum Sie von Tradition so gar keine Ahnung zu haben scheinen. Deshalb können Sie den Worten unseres Trainers auch wohl eher wenig abgewinnen, der da sagte, man solle „Tradition nicht als Last, sondern als Chance sehen. Unser Spagat in Braunschweig besteht darin, dass wir mit der Tradition leben; uns ist bewusst, dass Tradition ein großes Pfund und ein Vorteil gegenüber vielen anderen Vereinen ist. Ganz wichtig ist dabei auch, dass man diese Tradition nicht verkauft.“. Gehen Sie einfach davon aus, dass der FC Ingolstadt 04 – selbst wenn Sie mit Ihrem Hauptsponsor AUDI zusammen das gesteckte und dann wohl möglich auch gekaufte Ziel „Aufstieg zum 10-jährigen Jubiläum“ schaffen sollten – von Tradition so weit entfernt sind, wie Uli Hoeneß davor, Deutschlands Obermoralist schlechthin zu werden. Was mich auf eine zweite Auffälligkeit aufmerksam werden ließ.

Mit einem Zuschauerschnitt von 6800 rangiert Ihr kleines Unternehmen auf dem drittletzten Platz der Zuschauertabelle. Natürlich ist das nicht das schlechteste Ergebnis, aber weit davon entfernt sich von Vereinen abzusetzen wie FC Heidenheim, Hallescher FC in der 3. Liga, oder RW Essen in der Regionalliga. Wenn man dazu noch bedenkt, dass die benachbarten Gegner wie der TSV 1860, der Jahn Regensburg oder gar VfR Aalen (letzterer eher auf Grund der Entfernung) und traditionell bedingt Kaiserslautern und Dresden die meisten Zuschauer mitgebracht haben, dann relativiert sich die Angabe sogar noch. Wie sollte sich auch in einer gerade mal zehnjährigen Lebenszeit so etwas wie Identifikation und Vereinstreue entwickeln, wenn Sie es nicht einmal hin bekommen, über 3% der Bevölkerung der Stadt für Ihren Verein und vor allem Zweitliga-Fußball zu begeistern. Noch nicht mal Ihr Hauptsponsor kann seine über 34.000 Mitarbeiter von der Notwendigkeit überzeugen, noch einen Retorten-Club in Deutschland zu etablieren. Nein, ich denke und bin mir ziemlich sicher, auch die etwas über 3.500 armen Seelen, die Ihrem Laden die zweifelhafte Treue halten, werden Ihnen kaum etwas von Rituale im Fußball näher bringen können. Und dann war auch der letzte Punkt für mich über aller Maßen einleuchtend.

Wie sollen Sie auch nur ansatzweise die Emotionalität begreifen, wenn zu ihrem Aufstieg in die 2. Liga 2008 zu lesen ist, „Am Samstagabend war es vom erstmals ausverkauften MTV-Stadion per Autokorso zum Rathaus gegangen, vor dem rund 2.000 Fans (Anm. d. Verf.: !!!!!!!!!³) auf den Regionalliga-Vizemeister warteten. Danach durften sich die Beteiligten sogar ins «Goldene Buch« der Stadt eintragen. Der Rest war eine gigantische Freiluftparty.“. Rund Zweitausend Fans – ich schreibe dass jetzt absichtlich in Worten, damit das Fremdschämpotential etwas geringer ausfällt – das ist der Wahnsinn, das muss wirklich eine gigantische Party gewesen sein. Eine gigantisch enttäuschende. 2000 Fans, das ist das, was Sie, liebe Verantwortliche des FC Ingolstadt von 2004, heute Abend in blaugelber Tracht zu sehen bekommen. Eine feierwütige Meute, die Freitags 1100 Kilometer Wegstrecke nach ihrer Arbeit auf sich nimmt, geil auf Fußball, geil auf ihren Verein und geil auf eine Rückkehr in die 1. Bundesliga, emotional aufgewühlt. Sollte unsere Eintracht also tatsächlich gegen Ihre – für ihre Verhältnisse – überbezahlte Truppe einen Sieg holen, dann sollten Sie sich einfach mal den Spaß machen und unter http://www.braunschweig.de/kultur_tourismus/stadtportraet/braunschweiger_ansichten/webcam/webcam_schloss.html einen Blick auf eine wirklich GIGANTISCHE Party werfen und zuvor noch in die Gesichter der mitgereisten Eintracht-Fans schauen. Was Sie dort sehen, DAS sind wahre Emotionen! Und die gute Sitte würde es gebühren, den Fans das Feiern mit IHREN AUFSTIEGSHELDEN nicht zu verwehren. Ich verstehe aber inzwischen, dass Sie ja auf Kurzfristigkeit setzen und auf so ziemlich alles sch….n, was den Fußball ausmacht.

Ja, wären Sie, respektive Ihr Club, liebe Ingolstädter Verantwortliche, mit einer derartigen Geschichte gesegnet, ja, dann würden sie etwas von den Emotionen, von traditionell gewachsenen Dingen und von Sitten und Bräuchen im deutschen Fußball verstehen. Deshalb habe ich auch ein geringes Verständnis für Ihre Vorgehensweise. Bitte verstehen Sie aber auch, weshalb Ihr Fußballclub auf lange Sicht wohl eher keine Akzeptanz in der Fußballwelt erfahren wird und sich einreihen kann hinter Clubs wie Hoffenheim, Wolfsburg, RB Leipzig und so weiter…

Blaugelbe Grüße aus der emotional hochgradig aufgeladenen Stadt Braunschweig