Dieser Artikel wurde vor Bekanntgabe der Entscheidung der Ministerin veröffentlicht. Er ist entsprechend zu verstehen. Mittlerweile ist bekannt, dass das Niedersachsen-Derby zwischen Eintracht Braunschweig und Hannover 96 mit Gästefans stattfinden wird.
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Bis zum Niedersachsenderby zwischen Eintracht Braunschweig und Hannover 96 dauert es noch ein wenig, die Partie im Eintracht-Stadion ist für den 6. Oktober terminiert – einen Sonntag. Anpfiff des brisanten Spiels ist um 13.30 Uhr.
Noch steht nichts fest
Ob es der gewohnte und geliebte Stimmungszweikampf wird, steht derweil noch nicht fest, denn die niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens (SPD) lädt erst für heute Nachmittag zu einem Pressegespräch ein. Halt, nein, kein Gespräch, ein Statement! Und mit ganz viel Glück dürfen die versammelten Journalisten auch Fragen stellen. Vielleicht. Übrigens: die Einladung für das Pressestatement wurde heute um 9.46 Uhr verschickt. Unüblich, aber vor allem problematisch. Denn nicht jeder, der es dürfte und sollte, kann derart kurzfristig nach Hannover ins Ministerium reisen. Die Leopedia, Euer Online-Fachmagazin für Politik und Gastwirtschaft, wäre gern dabei, kann es aber tatsächlich nicht in der Kürze der Zeit realisieren:
[…]die Niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens, möchte im Anschluss an einen intensiven Dialogprozess mit den beteiligten Vereinen und nach eingehender Prüfung der vorgelegten Sicherheitskonzepte über das weitere Verfahren bezüglich der Teilnahme von Gästefans beim bevorstehenden Niedersachsen-Derby am 6. Oktober 2024 in Braunschweig informieren. (aus der Einladung an die Presse, 11. September 2024, dreieinhalb Stunden vor dem Termin)
Was Frau Behrens, ihres Zeichens so eine Art Eier legende Wollmilchsau der niedersächsischen Sozialdemokratie (immerhin war sie auch bereits Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, dazu hat sie Führungserfahrungen gesammelt im Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gesammelt – die Daniela kann also einfach alles!), gleich verkünden wird, ist noch nicht bekannt. Allerdings: Die Ministerin gilt als äußerst ehrgeizig und liebäugelt offenbar damit, Ministerpräsident Stephan Weil zu beerben. Da wie immer gilt, dass Fußballfans keine Lobby haben und sowieso per se potenzielle Gewalttäter sind, wird sie wohl keine Maßnahmen verkünden, die man ihr als Schwäche auslegen könnte.
Stunde der Hardliner
Da allerdings auch Pressevertreter längst auf den populistischen Kurs der Verfechter einer harten Hand eingeschwenkt sind, und Politiker ja doch eher auf die vermeintliche öffentliche Meinung hören als auf Beteiligte und Insider – sprich: die Fans – gibt es wohl keine Opposition mehr zu den feuchten Träumen von Sicherheitsfanatikern und Vollkaskofetischisten: Werden die Derbys in dieser Spielzeit also tatsächlich ohne Gästefans ausgetragen? Falls ja, darf man gespannt sein, wie das umgesetzt werden soll. Bis zum ersten Spiel sind es gerade einmal dreieinhalb Wochen, und es klingt nach einer spannenden Aufgabe Kriterien zu finden, beim Kartenverkauf Menschen dem einen oder anderen Lager zuzurechnen, wenn sie aus Peine, Hildesheim, Goslar etc. kommen. Der Wohnort wird hier also kaum darüber entscheiden dürfen. Und außerhalb der unrühmlichen Datei “Gewalttäter Sport”, in der man ja blitzschnell und ohne eigenes Verschulden landen kann (und es erst erfährt, wenn man deswegen Restriktionen erleidet) führt niemand Buch darüber, welchem Fanlager jemand zuzuordnen ist.
Was auch passiert, die Ministerin wird mit den Folgen ihrer Entscheidung leben müssen. Eintracht Braunschweig gegenüber ist es jetzt bereits äußerst unfair, so lang mit der Bekanntgabe der Maßnahmen gewartet zu haben – die Löwen müssen jetzt kurzfristig die Wünsche der Politik umsetzen. Und auch für Hannover 96 ist es problematisch, denn auch die Roten haben ihre Fans bisher immer wieder vertrösten müssen. Eine solche Hängepartie ist schlichtweg unwürdig.
Andererseits…
Es gibt aber auch eine andere Seite der Medaille. So sehr wir alle es genießen, wenn beim Derby so richtig die Sau geschlachtet wird – es gibt Grenzen. Und die wurden zuletzt tatsächlich immer öfter überschritten. Sitze rausreißen und in den Innenraum schmeißen? Bengali aufs Spielfeld und in die Zuschauerränge feuern? Gewalttaten gegen Normalos? Genau diese Maßlosigkeiten sind es, die es Politikern wie Behrens überhaupt erst erlauben, sich über unseren Lieblingssport zu profilieren. Hier sind beide Fan- und Ultralager gefordert: Reißt Euch zusammen! Alles, was tatsächliche Schäden an Menschen oder Material zur Folge hat, muss endlich unterbleiben. Brüllt, macht Licht, macht Rauch, zaubert Choreos – und die Freunde der dritten Halbzeit können sich dann ja wieder, wie früher, außerhalb treffen, um zu klären, was zu klären ist. Erfrischenderweise vielleicht sogar nach den alten Regeln? Jedenfalls liegt es in den Händen der Fanszenen, wie sich das Ding entwickelt. Redet miteinander, stellt verbindliche Regeln auf und sorgt dafür, dass die eigenen Leute sich auch daran halten. Dann haben Populisten gar keine Chance, unseren Sport für ihre Ziele zu missbrauchen.