Manchmal muss man mich schon kneifen, damit ich die Erfolgsgeschichte der Eintracht glaube. Das erste Zweitligajahr nach dem Wiederaufstieg scheint eine komplett unaufgeregte Geschichte zu werden. Aktuell ist der BTSV Siebter, der Relegationsplatz (der zur Dritten Liga) ist unglaubliche 15 Punkte entfernt. Dazu präsentiert sich der Verein mittlerweile in allen Bereichen äußerst professionell und sympathisch.Man könnte wirklich denken, es wäre ein Traum…
… zum Glück gibt es dann ab und zu diese Momente, die uns beweisen: es ist keiner. Alles Realität. Da drüben bei Eintracht sitzen auch nur Menschen. Und die machen auch mal Fehler. Vor wenigen Wochen zum Beispiel bei der Kommunikationspanne in Sachen St.Pauli-Karten. Da hatte man es schlichtweg verpennt, den Leuten zu sagen, dass man bereits die Stammkundschaft versorgt hatte und lediglich 200 Karten in den Restverkauf gingen. Großes Theater bei den Gelegenheitsfahrern: “Da will ich auch mal mit zu nem Auswärtsspiel, sogar zu den hippen St.Paulianern, und dann bekomme ich keine Karte? SKANDAL!”
Nein, natürlich war es kein Skandal. Selbstredend hat Eintracht das Recht, die zur Verfügung stehenden Tickets vor dem freien Verkauf seinen Fanclubs und Sponsoren anzubieten. Man hätte es aber kommunizieren müssen. Das tat man nicht – schade. Aber aus Fehlern lernt man.
Jetzt ist leider wieder eine Kommunikationspanne passiert. “Nur” im Zusammenhang mit der zweiten Mannschaft. Und auch “nur” bei einer kurzfristigen Spielplanänderung. Aber wenn man hinter die Geschichte blickt, ist da eben doch mehr schiefgelaufen als dass auf der Webseite veraltete Daten stehen.
Die Rede ist vom kommenden Spieltag der Oberliga Niedersachsen. Das bisher etwas enttäuschende Team von Trainer Henning Bürger sollte am 18. März beim BSV Kickers Emden antreten. Die Ostfriesen sind insolvent – womit die restlichen Partien, ebenso wie die der ebenfalls zahlungsunfähigen Eintracht aus Nordhorn, lediglich noch den Charakter von Pflicht-Freundschaftsspielen besitzen. Dazu hat der Niedersächsische Fußballverband, der wegen der unverständlichen Lizenzerteilungen für Emden und Nordhorn nicht ganz unschuldig ist an der Situation, den übrigen Oberligisten de facto angeboten, für schmales Geld die oft weiten Fahrten in die Grafschaft oder an den Dollart einsparen zu können. Wie das? Nun, man kündigte an, den nicht antretenden Vereinen lediglich die Minimalstrafe aufzuerlegen. Und das sind 10 Euro. Für viele Oberligisten ist das Angebot verlockend genug, um die betreffenden Spiele abzusagen. Für Kickers Emden und Eintracht Nordhorn bedeutet es, dass man bis zum Saisonende wohl kaum noch antritt. Die Oberliga schneidet die beiden, als hätten sie eine ansteckende Krankheit.
Bis gestern ging die Leopedia, Euer Online-Fachmagazin für gutes Benehmen, davon aus, dass unsere Zwoote am kommenden Wochenende eine der rühmlichen Ausnahmen darstellen wird. Bisher hat nämlich lediglich der SV Holthausen-Biene seine Reise nach Emden angekündigt bzw ist bereits in Nordhorn angetreten. Tja, da haben wir uns leider getäuscht. Denn Eintrachts Amateure spielen, anstatt in Emden, beim VfB Oldenburg. Die Oldenburger verzichten dafür darauf, die Nordhorner anreisen zu lassen.
Leider hat Eintracht diese Spielplanänderung bisher nicht bekannt gegeben. Die ostfriesischen BTSV-Fans sind deshalb bis gestern Abend noch davon ausgegangen, dass die Zwoote auch wirklich am 18. im Ostfrieslandstadion aufläuft. Dass sie jetzt doch Bescheid wissen, das verdanken sie dem VfB Oldenburg, der es am Freitag auf seiner Homepage meldete. Klar, es ist noch genügend Zeit bis zum 18. März. Aber auf Facebook gab es entsprechende Anfragen, die nicht beantwortet wurden. Kommunikationspanne.
Aber es gibt noch einen weiteren Aspekt, warum Eintrachts Entscheidung – vorsichtig formuliert – unglücklich war und ist. Etwas weiter oben hatte ich bereits erwähnt, wie sich die isolierten Vereine und ihre Fans fühlen müssen – bis zum Start der neuen Saison werden sie von allen anderen geschnitten. Wenn man es bei einem durchschnittlichen Oberligisten mit engem Etat noch nachvollziehen kann, dass er das Geld für die Fahrt zum Pflichtfreundschaftsspiel sparen will – auch wenn diese Fahrten im Saisonetat veranschlagt wurden – so gilt dieses Argument für Eintracht nicht. Zumindest nicht, wenn man ein wenig weiter denkt. Denn die Vorteile eines Antretens wiegen weit höher als die Kosten der Anfahrt.
Die Besonderheit der Situation sorgt dafür, dass Vereine, die trotzdem gegen Kickers Emden und Eintracht Nordhorn antreten, nicht nur dort Sympathiewerbung in eigener Sache betreiben. Denn sie zeigen sich solidarisch mit alten Weggefährten, beweisen ihre Freundschaft. Und heben sich kräftig ab von den anderen Oberligisten, die weniger Wert auf Solidarität legen.
Aus Marketingsicht macht Eintracht Braunschweig mit der Entscheidung, anstatt in Emden in Oldenburg anzutreten, einen großen Fehler. Denn, dem Trend zum Trotz anzureisen, das ganze verbunden mit einer entsprechenden Erklärung, das wäre unbezahlbare Werbung gewesen. Nicht nur in der Region, sondern weit darüber hinaus. Dazu war Kickers lange Jahre Eintrachts Weggefährte – das letzte Pflichtspiel ist noch kein Jahr her: am 03.05. holte sich der BTSV mit einem 2:1-Erfolg im Ostfrieslandstadion den NFV-Pokal. Unsere kalte Schulter ist also noch unverständlicher und enttäuschender.
Richtiggehend beleidigend aber ist es, dass Eintracht anstelle bei Kickers ausgerechnet bei deren Erzrivalen VfB Oldenburg antritt. Anstatt also für die Eintracht zu werben, gibt es eine schallende Ohrfeige für die Region Ostfriesland. Schlechter kann man es wohl nicht machen. Wobei es sicherlich keine böse Absicht war, sondern lediglich mangelndes Einfühlungsvermögen und fehlendes Wissen um Marketing und die Besonderheiten der Weser-Ems-Region.
Aber noch kann Eintracht den Schaden minimieren und sogar noch als Sieger aus der Situation herausgehen. Im Juni sollte Hannover 96 zu einem Benefizspiel bei Kickers antreten. Die Roten aber haben das angeblich über die VGH vereinbarte Spiel nie bestätigt und nicht auf dem Terminplan – das ergab unlängst die Anfrage eines nordvier-Redakteurs. Gut möglich also, dass es nicht dazu kommen wird. Stattdessen könnte Eintracht – nicht die Zwoote, sondern die Erste – antreten in einer Region, die im Fußball zum weißen Fleck auf der Karte wurde. Der alte Weggefährte hätte dieses Zeichen der Wertschätzung und Hilfsbereitschaft verdient. Vor allem nach der Ohrfeige der Zwooten.