Eigentlich müsste man den Spielern des FC Bayern München doch dankbar sein. Sie haben mit ihrem Elfmeter-Fauxpas nicht nur der englischen Boulevardpresse Futter bis zum nächsten Kneipenabend von und mit Paul Gascoigne gegeben, nein sie haben eigentlich auch alles getan, damit auch die deutschen Medien endlich mal etwas anderes in die Tasten hauen können, als die gängigen Schlagworte der letzten Wochen: „Düsseldorf“, „Elfmeterpunktklau“, „Todesangst“. Es wäre so schön, wenn dieses historische Finale endlich mal wieder den Fokus auf den Fußball und vielleicht auch auf eine kritische Hinterfragung von psychologischen Druck und dem Anti-Financial-Fairplay auf der Insel gerückt hätte – aber nein, das ist wohl zu einfach gedacht.

Irgendwie wird man den Eindruck nicht los, dass derzeit abseits des Rasens ein weiteres Spiel ausgefochten wird, bei dem die seriösen Mittel schon lange in regelmäßige Grätschen in die Waden ausgetauscht wurden: Das Duell zwischen der Medienlandschaft und ihren Impulsgebern auf der einen und der – sagen wir mal so – „aktiven Fußballkultur“ auf der anderen Seite.

Es fing bereits im Sommer des letzten Jahres an: Kaum hing die erste Kicker-Stecktabelle in den Büros der Polizeigewerkschaft „GdP“, da wurde den Herren klar, was die Stunde geschlagen hatte: Die „Randale-Liga“ 2. Bundesliga war geboren, das Horror- (oder Traum?) szenario eines jeden Beamten und das gerne genommene Füllmaterial für die Boulevardmedien in der Sommerpause. Die Ultraszenen der Liga hatten vermutlich noch nicht mal ihre Pyrobestellungen für die neue Saison aufgegeben, da war sich Fußballdeutschland schon sicher, dass dieses Jahr die Fußballwelt am Scheideweg zwischen Chaos-Tagen und dem Event für die ganze Familie stehen würde – eine Welt wurde konstruiert, die zwar zunächst aus völliger Theorie bestand, beim Durchschnittsbürger aber jetzt schon Realität war. 1:0-Führungstreffer für die Sicherheitsorgane und das noch vor dem Saisoneröffnungsspiel in Dortmund bei dem – wie sollte es anders sein – natürlich ein geordnetes Feuerwerk abgebrannt wurde.

Doch die Fans und Ultras der Nation ließen derartigen Populismus nicht auf sich sitzen und versuchten, den Dialog mit dem Verband und den Medien zu suchen. Die Kampagne „Pyrotechnik legalisieren – Emotionen respektieren!“ versuchte die Diskussion zu differenzieren und die Fanszene als durchaus ernstzunehmende Mitredner darzustellen. Ein Konter, der zwar gut gemeint und ab der Mittellinie gut vorgetragen war, dann aber zum eiskalten Gegenangriff führen sollte: Die Kampagne mag ehrbare Ziele verfolgt haben, der DFB setzte sich ja nicht umsonst auch mal mit den Vertretern an einen Tisch, doch unter dem Eindruck der im Sommer konstruierten Randale-Liga wurden selbst sachgerecht abgebrannte Bengalos schnell zur drohenden Gewalteskalation erklärt. Auch wenn es ein Pro-Fans-Vertreter mal ins Sportstudio schaffte – ein Kommentar von Wolf-Dieter Poschmann beim Spiel Dortmund gegen Dresden und sämtliche Dialogversuche waren im Grunde für immer gestorben, Fankongress hin oder her. 2:0 also für die Medien, die dummer Weise nun auch noch von einem Eigentor profitierten: Die Bilder von Randale und außer Kontrolle geratenden Kurven hatte leider auch einige Schwachmaten unter den Fans und Ultras auf den Plan gerufen, die nun ihre große Profilierungschance sahen und durch Aktionen wie dem Angreifen von Spielern und Bussen die letzte Hoffnung auf einen sachlichen Dialog zerstörten und dem bis dato konstruierten Bild auch noch eine nötige Schärfe brachten – 3:0.

Und jetzt: Eigentlich schien dem großen Duell etwas die Puste auszugehen, die Ultras zünden zwar weiter, aber halt nur noch im kleinen Stil und die Medien verloren auch irgendwie die Lust, zum x-ten Mal die gleichen Kurvenfotos zu zeigen. Wäre da halt nicht das Spiel in Düsseldorf gewesen und damit der erneute Aufschrei: Achja, da war ja was – das große Fanproblem ist ja immer noch nicht gelöst! Und jetzt bietet die Medienmaschinerie alles auf, was sie hat: Talkshows zur besten Sendezeit mit sogenannten Gästen, die zwar fast durchgängig keine Ahnung von der Materie haben, aber durch ihren Namen halt gut ziehen – auch wenn sie noch so viel Unsinn (Grüße an die Herrn Kerner und Schneyder) erzählen. Und selbst investigative Formate wie „Frontal21“ lassen mal eben sämtliche journalistischen Rechercheansprüche fallen – man könnte den Eindruck gewinnen, die Medien- und Sicherheitswelt holt zum spielentscheidenden Schlag gegen die Fankultur aus. Ein 3:0 wird schon schwer zu drehen sein, ein 4:0 dürfte das Spiel entscheiden – und dafür sorgen, dass es in den Fanszenen in Fußballdeutschland bald mehr traurige Gesichter geben wird, als bei den elf Spielern vom FC Bayern nach ihrem Dahoam-Fiasko. Hoffen wir, dass die Fan-Seite noch einen starken Ersatzspieler auf der Bank hat – oder den Medienphantasten langsam auch mal ein Eigentor unterläuft …

Wir danken FanPressesprecher Robin Koppelmann herzlich für diesen Gastkommentar. Die Webseite der FanPresse findet Ihr übrigens unter http://www.fanpresse.de/. Mehr als empfehlenswert!