…oder: Warum Jogi Löw ein schlechterer Bundestrainer ist als Berti Vogts oder Jupp Derwall. Guten Morgen.
Wer hat’s gestern Abend gesehen? Nach einer guten Stunde führte die deutsche Nationalmannschaft mit 4:0 gegen Schweden – am Ende reichte es lediglich zu einem 4:4. Es ist müßig, über den Spielverlauf zu diskutieren und ob das letzte Tor der Skandinavier hätte gelten dürfen, schließlich habe Ibrahimovic den hüftsteifen Mertesacker unmittelbar vor dem Treffer gefoult. Der wirklich gute Schiri ließ das Tor zu. Und es war verdient.
Als Fan der deutschen Elf muss man für das gestrige Spiel regelrecht dankbar sein. Denn es zeigte überdeutlich, welches Problem das Team hat: es fehlt am Charakter. Die eingesetzten Spieler sind allesamt großartige Fußballer, aber sie sind keine Persönlichkeiten. Solange es läuft, fällt dieser Umstand kaum ins Gewicht. Wehe aber, der Gegner ist stärker oder aber weiß zu kämpfen; dann kommt die Mannschaft ins Schwimmen, denn es gibt niemanden, der sie mitreißt oder ihr in den Hintern tritt. Das haben wir gestern gesehen. Oder aber bei der WM 2010 gegen Spanien. Oder bei der EM 2012 gegen Italien. Wichtige, knappe Partien, bei denen Führungsspieler den Ausschlag geben, kann Deutschland so nicht gewinnen.
Bundestrainer Joachim Löw steht für seine Personalpolitik schon seit Jahren in der Kritik. Ihm wird vorgeworfen, er könne nicht mit Charakteren umgehen und dulde keine starken Persönlichkeiten in seiner Mannschaft – je glatter ein Spieler ist, desto besser seine Chancen, einen Platz im Kader zu bekommen. Das sehe ich auch so. Dazu hat Löw ein Problem, mit den Spielern zu sprechen und ihnen Unangenehmes mitzuteilen. Michael Ballack und Torsten Frings sind da wohl die prominentesten Beispiele – verdiente Akteure, die mehr oder weniger durch die Medien erfahren haben, dass ihre Nationalmannschaftskarriere beendet ist. Das ist kein Stil.
Es fehlt in der deutschen Nationalmannschaft also an der richtigen Mischung. Das zeigt ein Blick auf die Startaufstellung gegen Schweden: kein einziger Führungsspieler stand da auf dem Platz. Der einzige, dem man eine solche Rolle eines Tages zutrauen könnte – Thomas Müller vom FC Bayern – wurde von Löw nach dem 4:2 ausgewechselt, für ihn kam der 20jährige Mario Götze. Die richtige Einwechslung wäre es wohl gewesen, den erfahrenen HSV-Kapitän Heiko Westermann zu bringen – für einen wieder einmal äußerst schwachen Holger Badstuber, bei dem man sich fragen muss, was er in der Stammelf der deutschen Nationalmannschaft zu suchen hat.
Diese Mannschaft wird die WM-Qualifikation aller Voraussicht nach erfolgreich absolvieren, denn es steckt eine Menge spielerische Klasse in ihr. Weltmeister aber wird sie nicht. Denn dafür muss man sich quälen wollen, nicht nur schön spielen. Oder anders ausgedrückt: nur mit Indianern ist die ganz große Jagd nicht erfolgreich zu gestalten – da mag der Bison noch so zahlreich sein. Es braucht eben immer ein, zwei Häuptlinge, die für die entscheidenden paar Prozente sorgen, die eine starke Mannschaft von einer Weltklassemannschaft unterscheiden.
Zurück zum Eingangsstatement: warum waren Jupp Derwall und auch Berti Vogts bessere Bundestrainer als Löw? Weil sie sich nicht scheuten, auch unbequeme Spieler mitzunehmen, die vielleicht für die löwsche Tupperparty zu laut und unbequem wären, aber auf dem Platz eben genau den Charakter zeigten, eine wankende Mannschaft aufzurichten und zu führen. Vogts wurde 1996 mit einer bei weitem nicht so starken Mannschaft Europameister, weil er eine Einheit geschaffen hatte, die kämpfen konnte. Das wird Löw nie gelingen, denn das ist nicht seine Art. Erfolge wird die deutsche Nationalmannschaft mit diesem Trainer also keine feiern. Aber wem es reicht, mit hübschem Tempospiel relativ sicher bis ins Halbfinale zu kommen (um dann mit Angsthasenfußball gegen Italien zu verlieren), der kann sich damit sicher arrangieren.