Zum Blick über den Tellerrand reiste die Leopedia, Euer Online-Fachmagazin für Grounds und Points, am Karfreitag ins Bundesland Bremen, denn während bundesweit der Ball ruhte, fanden hier die vier Viertelfinalpaarungen des Landespokals statt. Meine Wahl fiel auf das sportlich wahrscheinlich interessanteste Duell und damit auf die Seestadt Bremerhaven – FCB gegen FCO. Vorweg: die Wahl war richtig. Ich habe einen spannenden, unerwarteten Fußballnachmittag erlebt…
Kurzvorstellung der Kandidaten: der FC Bremerhaven von 1899 ist der erfolgreichste und zusammen mit der Leher Turnerschaft (gegründet 1898) wohl traditionsreichste Verein der Seestadt – seit man den TuS Bremerhaven 93 an die Wand gefahren, in den OSC gezwungen und 1977 formal aufgelöst hat. Zuletzt aber gerieten die FCB-Seelöwen immer stärker in Probleme, durften mehrmals nicht aufsteigen und streben mittlerweile eine Fusion mit dem Nachbarn Sparta an. Die aktuelle Bremenligasaison absolviert man bereits als Spielgemeinschaft unter dem Namen FC Sparta. Wie üblich rangiert das Team im oberen Mittelfeld, hat mit dem Titelkampf allerdings nichts zu tun.
Der Gast aus Bremen-Oberneuland spielt eine Liga höher, in der Regionalliga. Dort kämpft man gegen den Abstieg und scheint auch erfolgreich sein zu können – zumindest belegt man aktuell einen Nichtabstiegsplatz. An Tradition hat der FCO kaum etwas zu bieten. Im Gegenteil wird der Vorortclub spöttisch auch als das Hoffenheim der Hansestadt bezeichnet.
Die Partie begann vor 400 Zuschauern mit einer Farce. Der FC Oberneuland, der gewöhnlich in roten Trikots aufläuft, hatte aus irgendeinem Grund ausschließlich schwarz-weiße Shirts dabei – und schwarz ist bekanntlich die Spielfarbe der Bremerhavener. Keine zehn Minuten vor dem Anpfiff musste der FCB also noch andere Trikots auftreiben (zur Erinnerung: eigentlich ist der Gastverein dazu verpflichtet, passende Trikots mitzuführen). Die weißen Ausweichtrikots wollte Schiedsrichter Bastian Norden (SG Aumund-Vegesack), warum auch immer, nicht zulassen, also mussten die Gastgeber schleunigst die roten Jerseys der Zweiten Mannschaft an Land schaffen. Mit guten zehn Minuten Verspätung ging es auf dem Ascheplatz an der Pestalozzistraße dann los.
Wer damit rechnete, dass Oberneuland das Spiel machen würde, sah sich getäuscht. Es waren die Seelöwen, die frech und forsch nach vorn spielten und sich immer wieder dem Gästetor gefährlich näherten. Dass der Regionalligist trotzdem die Führung erzielen konnte, ging auf die Kappe von Schiri Norden – der Referee beurteilte eine Szene in der neunten Spielminuten komplett falsch und stellte damit bereits früh die Weichen für Oberneulands Sieg: als ein Gästestürmer sich dem Tor näherte, kam der Bremerhavener Keeper aus seinem Kasten und grätschte knapp außerhalb des Strafraums in den Ball und Spieler. Keine Notbremse, aber ein unschönes Foul. Richtig wäre die gelbe Karte für den Torhüter gewesen, dazu Freistoß für Oberneuland. Den Freistoß gab Bastian Norden auch – zog aber den roten Karton. Und den nicht einmal für den foulenden Torhüter, sondern für den mitgelaufenen Innenverteidiger… der Nordsee-Zeitung Bremerhaven gegenüber erklärte der Unparteiische später, er habe einen Trikotzupfer des Verteidigers gesehen Diese Meinung hatte Norden an dem Tag allerdings ganz exklusiv. Die Gäste bedankten sich auf Ihre Art für die unerwartete Überzahl: mitten hinein in die Konfusion versenkten sie den Freistoß – 0:1 nach zehn Minuten.
Das Tor brachte dem Favoriten aber keine Sicherheit. Auch in Unterzahl machte der FCB das Spiel und kam zu Chancen, scheiterte allerdings oft überhastet. Und so kam es wie so oft, denn mit der zweiten Chance überhaupt erhöhte Oberneuland auf 2:0. Aber auch diesem Treffer ging eine peinliche Fehlentscheidung des Schiedsrichtergespanns voraus, denn der Assistent hatte unmittelbar davor bei einem sehr schönen Pass der Hausherren komplette Regelunkunde bewiesen, als er die Fahne zum Abseits hob. Blöd: der angespielte Spieler stand nicht im Abseits, ein anderer schon. Der allerdings war nicht in Ballnähe, also passives Abseits. Zumindest im Rest Deutschlands, im Bremer Verbandsgebiet scheint es da ja vielleicht Sonderregeln zu geben. Zwei krasse Fehler, zwei Buden für die wohlhabenden Gäste. Jetzt hörte man am Platz häufiger den Namen eines bekannten Berliner Ex-Schiedsrichters, der bei einem Pokalspiel des Hamburger SV einst einen rabenschwarzen Tag hatte. Ich muss zugeben, dass mich das nicht wunderte.
Die Bremerhavener kämpften weiterhin aufopfernd, kamen in der zweiten Spielhälfte sogar noch auf 1:2 heran, mussten dann aber doch der Unterzahl und dem vermehrten Laufaufwand Tribut zollen. Der Favorit aus der Regionalliga darf sich also über das Erreichen des Pokalhalbfinals freuen. Obwohl, freuen… nach so einem Spiel? Ich hätte die Partie gern unter regulären Umständen erlebt. Aber so machte ein Mann – Bastian Norden – den Unterschied. Erst die Trikot-Farce, dann zwei bittere und offensichtliche Fehler, die jeweils zu Toren führten. Auch hier hatte jemand also einen rabenschwarzen Tag.