Mein Freund ist Roter!Eintracht ist aufgestiegen und wird nach 28 Jahren Verbannung wieder nach Hause in die Bundesliga kommen. Und man kann das Gefühl bekommen, dass nicht nur wir die Bundesliga vermisst haben, sondern die Bundesliga auch uns. Denn fast jeder freut sich über unsere Rückkehr. Bis auf Steve Cherundolo (ist das die richtige Schreibweise? Ich musste diesen Namen bisher weder lesen noch schreiben, da bilden sich zwangsläufig Wissenslücken), Angestellter von Hannover 96, der sich partout nicht dazu durchringen konnte, uns zum Aufstieg zu gratulieren. Und ich find’s gut. Denn das ist erfrischend ehrlich. Wobei ich dem Hildesheimer Mirko Slomka (1967 geboren!) die Freude sogar noch abnehme, denn zu seiner aktiven Zeit bei der JSG Nord und dem TuS Lühnde soll er kein Hardcorefan seines jetzigen Arbeitgebers gewesen sein, sondern häufig zu Spielen ins Eintracht-Stadion gefahren sein.

Ja, die Hildesheimer sind eben nicht von Natur aus rot. Das musste vor einiger Zeit auch die Hildesheimer Allgemeine Zeitung erfahren, ein Satellit der Hannoverschen Allgemeinen und in der Themenfindung… etwas einseitig. In einer Umfrage wollte man wissen, wie die Region tickt – und die Leserschaft aus der Bischofsstadt und umzu entschied sich mehrheitlich für blau-gelb. Zeitweise hatte Eintracht doppelt so viele Stimmen wie das Nicht-Gründungsmitglied der Bundesliga. Man darf gespannt sein, wie die Hildesheimer Allgemeine Zeitung jetzt, nach Eintrachts Wiederaufstieg, den Spagat bei der Berichterstattung hinbekommt. Bisher konnte sich die HAZ mit Hinweis auf die höhere Liga Hannovers rausreden und einfach die 96-Hofberichterstattung des großen Madsack-Bruders HannAZ übernehmen, angereichert mit ein wenig Eintracht. Das klappt jetzt nicht mehr – die Eintrachtfans unter den zahlenden Lesern (und das wird im Vergleich die Mehrheit sein, siehe Umfrage) werden eine gleichberechtigte Positionierung und Aufmachung erwarten. Wie gesagt: es wird spannend. Oder auch nicht. Denn Hildesheim wird aus hannoverscher Sicht gern als Vorort angesehen. HI = Hannovera Inferior. Schön ist das nicht. Und es tut dem Selbstbewusstsein der ehemals wichtigsten Stadt Ostfalens auch nicht sonderlich gut. Aber ich schweife ab. Denn der eigentliche Anlass für diesen Artikel ist ein anderer: wir haben in der kommenden Saison zwei Derbys gegen Hannover. Und auf beiden Seiten steigern sich die Verbalentgleisungen auf ein Niveau, das nicht mal mehr unterirdisch ist.

Es ist jetzt also einmal an der Zeit für einen kleinen seelischen Striptease. Mein Freund ist Roter! Ja, ich gestehe. Und ich habe mir mit ihm auch schon gemeinsam Spiele im Niedersachsenstadion angeschaut. Das klappt ganz prima, weil ich diese Momente innerer Überwindung wunderbar dazu nutzen kann, ihn auf die Degeneration seines Lieblingsklubs hinzuweisen. Dass sein Präsident, Montgomery C. Burns, den Verein gern mal als “Scheißverein” bezeichnet. Dass er die eigenen Fans vergrault, indem er ihnen die Identität des Vereins unter dem Hintern wegklaut und an Sponsoren und Investoren verschachert. Dass das Stadion gar nicht mehr Niedersachsenstadion heißt, sondern den Namen eines äußerst problematischen “Finanzdienstleisters” trägt bzw. trug (erinnert mich bitte daran, dass ich zum kommenden Jahr meine Autoversicherung wechsle). Und dass die Stimmung im Rund zu Drittligazeiten besser war als heute, wo man doch europäisch spielt. In der Regel kommt von meinem Freund dann maximal ein Grummeln, eine Grimasse, als Antwort. Manchmal werde ich darauf hingewiesen, dass man sportlich erfolgreich sei und dafür eben Kompromisse eingehen müsse. Und dass es bei uns, wenn wir uns in der Bundesliga etablieren wollten, ähnlich sein werde. Kann sein. Aber noch ist es nicht soweit. Abgesehen davon glaube ich nicht daran, dass es bei uns jemals so schlimm werden kann wie bei Hannover 96. Denn die Vereinsführung um Präsident Sebastian Ebel bekommt es bisher prima hin, das richtige Maß zwischen Tradition und Kommerz zu finden. Fakt ist: die harte Zeit in der Dritten Liga mit Spielen in Kleinstädten ohne Bahnhof haben bei uns ein Bewusstsein zugelassen, das uns vor dem Totalausverkauf der Marke “weg mit 50+1” schützt.

Eintracht hat in den vergangenen Jahren viel geleistet, ohne deshalb die eigene Indentität zu verschachern. Das ist nicht selbstverständlich, wie andere Beispiele zeigen. Und dafür gebürt den Architekten dieser beispiellosen Erfolgsgeschichte jeder nur mögliche Respekt. Eintracht ist zum Gegenkonzept geworden. Oldschool is back! Aber bitte nicht abseits des Platzes. Denn es ist Teil unserer Erfolgsstory, dass Eintracht mittlerweile fast ausschließlich positiv wahrgenommen wird. Selbst die Verleumdungskampagne der ehemaligen Ultras Braunschweig ist mittlerweile im Sande verlaufen – bis auf diejenigen, die es unbedingt glauben wollen, weiß mittlerweile jeder (sogar die 11freunde), dass es hier nur um persönliche Rache ging und nicht um das Aufdecken vermeintlicher gefährlicher Nazi-Umtriebe (die ja außer diesen Leuten bisher auch niemand festgestellt hat, auch nicht die Polizei).

Mein Freund ist Roter - eine Aktion der leopedia
Mein Freund ist Roter – eine Aktion der leopedia

Wenn man aber die Töne, die von Übereifrigen beider Lager schon jetzt besonders im Internet geäußert werden, so hört, kann man schon Angst bekommen vor diesen eigentlichen Festtagen. Aus Gründen des Jugendschutzes verzichte ich an dieser Stelle darauf, die entsprechenden Aussagen zu zitieren. Man kann sie allerdings leider überall lesen. Dabei ist es doch eigentlich so einfach: Eintracht ist Alles, Gewalt ist Nichts! Mit frenetischer Unterstützung hilft man dem Verein – mit Gewalt schadet man ihm. Wer sich bügeln will, soll es gern tun, aber dann bitte nicht unter dem Deckmantel unseres Lieblingssports.

Um bereits frühzeitig ein Zeichen zu setzen gegen Gewalt auf den Rängen und abseits davon, ruft die Leopedia, Euer Online-Fachmagazin für Friede, Freude und sogar Eierkuchen, jetzt auf zur Aktion “Mein Freund ist Roter“. Wir stehen dafür ein, den Wettkampf sportlich zu führen – auf dem Feld und in den Kurven. Wir wollen die sechs Punkte, wir wollen lauter sein, origineller, authentischer als die komischen Leute da im Westen. Aber Gewalt ist tabu! Wer schlägt, verliert. Ganz automatisch. Mach mit! Für gewaltfreie Derbysiege und eine Stimmung, die den Roten die Füße verknotet!