Was macht ein von Eintracht besessener Vater, dessen eigener Sohn so richtig aus der Art schlägt und sich dazu entschließt, Fan von Bayern München zu sein? Diskutieren? Argumentieren? Überzeugen? Braunschweigs wohl umtriebigster Autor Axel Klingenberg hat all dies sicherlich auch bereits versucht – letztendlich aber entschied er sich, seine Argumente in Buchform niederzuschreiben. “111 Gründe, Eintracht Braunschweig zu lieben” heißt dieses Buch, das seit gut zwei Wochen erhältlich ist. Und der Name ist Programm, denn Klingenberg liefert wirklich nicht weniger als 111 Argumentationen, die die bedingungslose Zuneigung zum BTSV begründen sollen. Gleich vorweg: das Buch lohnt sich. Es liest sich gut, jeder der 111 Gründe ist eine eigene kleine Geschichte, bei der die Mundwinkel meist nach oben gehen, die Stirn sich manchmal aber auch runzelt…
… womit wir bei der Schwachstelle des Buches wären – oder besser, des Buchtitels, denn, objektiv betrachtet, nicht jeder der 111 Punkte ist ein Grund, Eintracht zu lieben. Ob Deutscher Meister im Trainerverschleißen (Grund 82, in der Saison 2006/07) oder Hoyzers massives Eingreifen beim Spiel auf St. Pauli 03/04 (zugunsten Eintrachts, trotzdem heißt es bei Grund 78, der BTSV sei Opfer von Schiedsrichterbestechungen geworden) – blaugelbe Werbebotschaften verströmt keines dieser Beispiele. Und manchmal liegt der Autor auch einfach nur falsch. Zum Beispiel bei Grund 97, als er sich wundert, mit einem vermeintlichen Hooligan nett plaudern zu können. Natürlich wäre es schön einfach, wenn die Gleichung Hooligan = stumpfe Schläger aufginge. Die Realität sieht dann aber doch etwas komplizierter aus, schließlich bestehen die meisten Hooliganszenen eher aus einem Querschnitt durch die gesamte Gesellschaft. Es soll sogar Polizisten geben, die in ihrer Freizeit das “Match unter Gleichgesinnten” suchen. Ich selbst kenne einen Arzt und einen Bankkaufmann, die zumindest früher einer Hooliganszene angehörten und sich regelmäßig auf diese Weise auslebten. Dumme Menschen sind die beiden ganz sicher nicht, und nett plaudern konnten sie damals und können es auch heute noch.
Letztendlich ist “111 Gründe, Eintracht Braunschweig zu lieben” also eine launige kleine Anekdotensammlung, von denen einige auch als Argumentationshilfen dienen können. Punktabzüge in der B-Note gibt es dafür, dass dem Autor gleich in der Einleitung ein Fehler passiert (das letzte Saisonspiel war gegen den FSV Frankfurt, nicht gegen Wismut Aue) – und dass der Verlag zeitgleich ein Buch auf den Markt brachte, das “111 Gründe, Hannover 96 zu lieben” heißt und dessen Design bis auf Titelbild und Farbgebung beinahe identisch ist. Laut Verlag sind die Vereine sogar beide die “großartigsten der Welt” ^^ Die Erklärung dafür ist einfach, die “111 Gründe” sind nicht Klingenbergs Erfindung, sondern eine Buchreihe des Berliner Verlags Schwarzkopf & Schwarzkopf. Trotzdem gibt es für die blaugelben 111 Gründe eine Kaufempfehlung – es macht Spaß, das Buch zu lesen, auch eingefleischte Eintrachtfans können noch was lernen, und mit knapp 10 Euro ist es auch noch bezahlbar. Außerdem ist ja bald Weihnachten!