Geben wir es ruhig zu: durch den überraschenden Bundesligaaufstieg 2013 und den erst am letzten Spieltag erlittenen direkten Wiederabstieg hat sich bei uns Eintracht-Fans etwas verändert. Die schlimmen Jahre in der Diaspora der dritten Liga sind irgendwie vergessen, wir sind wieder wer. Einerseits waren die Eintracht-Fans in der abgelaufenen Spielzeit so etwas wie Lieblinge der Liga – Old School, feierwütig, gut gelaunt, weitestgehend stressfrei. Andererseits wurde die Art und Weise, wie die Mannschaft nach den ersten Spieltagen gekämpft und gerackert hat, mit viel Respekt aufgenommen. Eintrachts Abstieg war sportlich wohl folgerichtig, aber das Gesamtpaket Eintracht wird die Bundesliga vermissen. Eintracht ist zurück auf der Fußballlandkarte, auch wenn es noch ein weiter Weg ist, sich in der Bundesliga zu etablieren.
Für viele von uns Fans aber ist dieser Schritt überfällig. Ein Jahr Bundesliga – jetzt muss der Klub doch im Geld schwimmen! Vorweg: nö. Die Eintracht hat die beachtlichen Einnahmen nicht aufs Festgeldkonto gepackt, um davon neue, teure Spieler zu verpflichten, sondern hat das getan, was unbestreitbar wichtig und richtig ist: sie holt nach. Denn was die Infrastruktur angeht, ist Eintracht noch lange nicht unter den ersten 25 Vereinen Deutschlands. Das ist der Preis, den wir für die verfehlte Vereinspolitik der 1990er und 2000er Jahre zahlen müssen, als eben nicht in die Strukturen investiert wurde, sondern in teure Heilsbringer (ich überlege gerade, ob sich ein Artikel “Unser schönster Fehleinkauf” lohnen würde, aber das müsste dann ja eine ganze Serie werden). In Braunschweig konnte man immer gut verdienen, auch ohne Leistung. Die Erfahrung, dass wir nicht die Topzahler der Liga sind und dass die Profis auch was tun müssen für ihr Geld, ist relativ neu. Die Folge ist, dass Braunschweig nicht die Top-Adresse ist für teure Profis – dafür aber gesund. Der Klub und die Spielbetriebs-GmbH sind schuldenfrei, können mit dem Geld, das sie einnehmen, also ohne Restriktionen arbeiten. Und das ist unglaublich wertvoll.
Ehrlich gesagt, das gefällt mir. Noch immer. Und der bisherige Kurs, auf junge und entwicklungsfähige Talente zu setzen anstatt auf die Ersatzbänke der ersten Liga, ist auch nach wie vor der richtige Weg. In dieser Hinsicht hat das Jahr in der Bundesliga nichts bei mir verändert.
ABER! Trotzdem müssen wir reden, Eintracht. Denn irgendwie hat das, was Du gerade machst, augenscheinlich nichts mehr mit diesem Kurs zu tun. Was die aktuellen Transfers angeht, bin ich unzufrieden. Nicht, weil ich mehr große Namen haben will, sondern weniger. Aber die dann bitte auch mit klarem Bekenntnis zum Verein.
Leihgeschäfte sind im Profisport eine Option. Je nachdem, wie die Verträge formuliert werden, helfen sie mal dem einen mehr, mal dem anderen. Eintracht hat mit Hendrick Zuck (mit Kaufoption) und Vegar Eggen Hedenstad (ohne) bereits zwei Spieler ausgeliehen, mit dem Angreifer Mushaga Bakenga (erneut ohne Kaufoption?) könnte sich noch ein dritter Akteur in diese Liste einreihen. Die sportliche Qualität werde ich den dreien ganz sicher nicht absprechen, die wird vorhanden sein. Aber eine zeitlich begrenzte Leihe ohne die vertraglich zugesicherte Möglichkeit, den Spieler nach deren Ablauf auch zu verpflichten, nützt Eintracht wenig, wenn man das bisherige Konzept zugrunde legt.
Für die abgebenden Vereine ist so eine Leihe was Tolles: der Spieler bewegt anderswo seinen Hintern, wird aufgrund einer Mindesteinsatzklausel oft auch bei Formschwäche aufgestellt und kommt nicht selten gereift und mit Spielpraxis versehen zurück. Anstatt dass der Spieler also auf der Tribüne sitzt oder bei den eigenen Amateuren aufläuft (und dabei sein volles Salär kassiert), wird er in der Fremde gefordert. Nebenbei spart man auch noch einiges an Gehalt, denn der ausleihende Verein wird sich daran in der Regel beteiligen.
Für die Eintracht aber bedeuten solche Ausleihen ohne Kaufoption, dass hier Spieler auf Zeit Plätze blockieren. Nennen wir sie ruhig Ausbildungsplätze, denn das sind sie laut Eintrachts Konzept ja doch irgendwie: Plätze, auf denen Spieler ausgebildet werden sollen. Jedes Mal, wenn ein solcher Spieler-auf-Monate (SaM) aufläuft, tut es ein anderer Spieler, der sich klar zur Eintracht bekennt, nicht. Hier wird also Matchpraxis verschenkt an andere Vereine.
Natürlich, eine solche Ausleihe ohne Option ist nicht generell sinnlos. Immer dann, wenn für eine bestimmte Position dringend eine Verstärkung benötigt wird, die aber anders nicht zu bekommen ist (entweder, weil kein Spieler auf dem Markt ist oder man die Ablöse nicht stemmen könnte), kann man zu einem solchen Konstrukt greifen. Es ist ein Feuerwehr-Konstrukt für Notfälle. Deshalb hat die Ausleihe von Havard Nielsen, den ich nur zu gern mit langfristigem Vertrag beim BTSV sehen würde (was aber wohl leider nicht finanzierbar ist), durchaus einen Sinn ergeben – in der Bundesliga brauchten wir vorne dringend qualitativ hochwertige Belebung, und die hat der Norweger gebracht.
Aber welche Notsituation hat Eintracht denn zurzeit? Der aktuelle Kader reicht – das wird von den Verantwortlichen gern und immer wieder betont – locker für den Klassenerhalt in der zweiten Liga. Lediglich mit den Spitzenpositionen hätten wir wohl nichts zu tun – aber mal ehrlich, wer rechnet ernsthaft damit, dass sich ein “Betriebsunfall” wiederholen lässt? Eintracht ist noch ein echter Zweitligist, und bevor sich diese Einschätzung ändert, muss noch viel passieren.
Wenn Manager Marc Arnold jetzt vermehrt Spieler ohne Kaufoption ausleiht, dann ist er vielleicht der Meinung, dass der bisherige Kader in der zweiten Liga Probleme bekommen kann. Das wäre keine gute Nachricht! Ich halte diese Deutung allerdings für falsch. Eher wird Arnold anvisieren, dass die Eintracht 2014/15 unter den ersten fünf landet, damit im Umfeld nicht zuviel Unruhe aufkommt. Mag die Taktik zum Erreichen dieses Zieles auch kontraproduktiv zur bisherigen Philosophie wirken, so ist die Grundüberlegung an sich doch richtig – Eintracht muss oben mitspielen, ansonsten kann es ungemütlich werden. Das darf man angesichts der zweifelsfrei gestiegenen Ansprüche prognostizieren.
Ich würde mit Marc Arnold nicht tauschen wollen. Seine Aufgabe lautet: verbessere die Kaderqualität, aber gib um Himmels Willen kein Geld aus! Da sich aus dem eigenen Nachwuchs (noch!) zu wenige für eine solche Rolle anbieten, muss also extern gesucht werden. Und dann lautet das Problem eben schnell, dass Qualität Geld kostet, das wir nicht ausgeben wollen und können (nicht vergessen: Eintracht steht nach wie vor unter der Kölmel-Knute!). Für Marc Arnold ist eine Leihe ohne Option dann eben die Lösung: Qualität verbessert, wenig Geld ausgegeben, Job erledigt. Vielleicht ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass Eintracht endgültig wieder im schnellen Profisport angekommen ist, in dem es kaum Zeit gibt, etwas Nachhaltiges aufzubauen.
Meine Kritik an der Vereinsführung pausiert mit diesem Artikel. Ich bin gespannt auf die neue Saison, will sehen, wie sich unser Konzept weiterentwickelt, auch unter erschwerten Bedingungen. So oder so, der Spagat geht weiter.