Foulspiel in Rot. Aus aktuellem Anlass veröffentlichen wir diesen Essay, der in der jüngsten Printausgabe des abseitsmagazins erschienen ist.

Der Bundesliga-Abstieg von Eintracht Braunschweig war eine der kleineren Ursachen, warum man im Frühjahr 2014 eine deutliche Erschütterung der Macht spüren konnte. Denn auf der dunklen Seite trat ein gewaltiger Todesstern in die tieferen Schichten der Atmosphäre ein. Vergessen wir Wolfsburg, Hoffenheim, Ingolstadt, denn im Gegensatz zu dem, was kommt, sind sie echte Sympathen. Meine Damen und Herren, hier ist RB Leipzig!

Okay, der Überraschungseffekt hält sich in Grenzen, denn die Geschichte des Vereins ist bekannt: Zur Saison 2009/10 übernahm „RasenBallsport Leipzig“, wie die Neugründung offiziell heißt, weil die Satzung des DFB nach wie vor eine Namensgebung zu Werbezwecken verbietet, den Oberligastartplatz des SSV Markranstädt, stieg sofort auf und schaffte auch in der Regionalliga, wenn auch „erst“ nach dem dritten Anlauf, den Aufstieg. In der gerade abgelaufenen Saison belegte man Rang zwei der Dritten Liga und schaffte damit den Durchmarsch. Damit ist RB Leipzig in der kommenden Saison ein Ligakonkurrent der Eintracht.

Solche Geschichten gibt es im Fußball zuhauf. Ein Geldgeber kommt, investiert in einen Verein, der daraufhin ein paar Ligen klettert. In der Regel verliert der Geldgeber irgendwann das Interesse (manchmal auch das Vermögen), und der Verein geht den ganzen Weg wieder zurück, nicht selten unter den hämischen Kommentaren seiner Nachbarn. Oder aber, der Geldgeber begreift den Verein als weichen Standortfaktor und übernimmt ihn als Tochter in seine Firma, wie es in Wolfsburg passiert ist.

In Leipzig haben wir es mit einer anderen Konstellation zu tun, denn den normalen Verein, der sich um Breitensport und Nachwuchsarbeit kümmert, gab es nie. RB Leipzig wurde einzig und allein dafür gegründet, damit der Getränkehersteller und Eventveranstalter Red Bull auch in Deutschland eine Marketing- und Werbeplattform besitzt. In New York und in Salzburg ist das bereits gelungen – in der Mozartstadt wurde dazu der traditionsreiche SV Austria Salzburg mit viel Härte und Kompromisslosigkeit gegenüber der bisherigen Anhängerschaft übernommen und ummoduliert, vom bisherigen Verein blieb am Ende nichts übrig.

In Deutschland haben die Verbände auf breiter Front versagt. Offiziell betont man zwar immer wieder, wie wichtig die Ideale des Sports seien, im Fall Red Bull aber zählten andere, mehr handfeste Argumente. So ebnete der Sächsische Fußballverband (SFV) dem Projekt den Weg, indem man dem Herauslösen der in der Südstaffel der Oberliga Nordost spielenden Ersten Mannschaft des SSV Markranstädt in den neuen Verein „RasenBallsport Leipzig“ zustimmte, obwohl es sich um keine Fusion handelte, wie offiziell dargestellt. Außerdem winkte man das dem Logo des Brauseherstellers Red Bull verblüffend ähnlich sehende Wappen problemlos durch – das System Red Bull hatte in Deutschland Fuß gefasst, mit dem offiziellen Segen der Verbände.

Dabei ist die insgeheime Sympathie des SFV durchaus nachvollziehbar: als Folge der für den Fußballosten verheerenden Eingliederung des Fußballverbands der DDR in den DFB ist der Teil Deutschlands zwischen Rostock und Dresden beinahe frei von Profifußball. Nicht unerwartet, denn der DFB verlangte von den ehemaligen DDR-Oberligisten, dass sie quasi über Nacht Strukturen schaffen, für die die Vereine in der Bundesrepublik mehrere Jahrzehnte brauchten. Aus dem ursprünglichen Konzept, zwei der Oberligisten in die Bundesliga und sechs in die Zweite Bundesliga zu integrieren, folgte eine beispiellose Zerstörung der Fußballkultur im Osten. In der Saison 14/15 spielt kein einziger Verein aus der ehemaligen DDR in der Bundesliga, im Unterhaus sind es drei: der 1. FC Union Berlin, der FC Erzgebirge Aue – und RB Leipzig.

In Leipzig fand Red Bull alles vor, was man für ein erfolgreiches Fußballprojekt braucht: auch dank der erbitterten Feindschaft von Lok und Sachsen Leipzig war die Stadt frei von Profifußball, trotz eines Einzugsgebiets von über drei Millionen Menschen. Seit der WM 2006 existierte ein bundesligataugliches Stadion, das niemand füllte, und die lokale Presselandschaft hatte es satt, nichts zum Berichten zu haben. Die große Ablehnung, die Kritiker Red Bulls gern annehmen, gab es vor Ort so nicht – im Gegenteil wurde RB Leipzig vom Eventpublikum überraschend gut aufgenommen. Auch, weil der Verein sauberste Unterhaltung bietet, schließlich gibt es keine Fans, die ihren Klub kritisch verfolgen oder bei Spieltagen sonst wie negativ auffallen. Im Gegenteil konnten sich Besucher sicher sein, nicht allzu oft Niederlagen sehen zu müssen, denn die Kriegsschatulle Red Bulls ist prall gefüllt. Alles klar für die perfekte Fußball-Show!

Nach wenigen Jahren kommt RB jetzt also auch in Deutschland im offiziellen Profifußball an. Als letzte Hürde galt die Lizensierung durch die DFL, die für die Erste und Zweite Bundesliga zuständig ist. Nach ein wenig Theaterdonner in Form einer vorerst verweigerten Spielgenehmigung hat die DFL die Leipziger Filiale aber rechtzeitig und herzlich aufgenommen. Eine der DFL-Auflagen dafür war, dass das dem Logo des Mutterkonzerns zu ähnlich sehende Wappen deutlich verändert wird. Es darf sich jeder selbst eine Meinung bilden, inwieweit das RB Leipzig gelungen ist.Der ehemalige DFL-Geschäftsführer Christian Müller, lange Jahre für die Lizensierungen zuständig, wunderte sich jedenfalls lautstark darüber, wie problemlos RB Leipzig die Genehmigung bekam und spricht von Finanzdoping, weil der Verein RB nicht beachte, was andere beachten müssten.

Sicherlich hat Müller recht. Dass das Konzept des Financial Fairplay, von der UEFA ursprünglich für die Teilnahme an ihren Pokalwettbewerben ersonnen und gern und häufig auch für die deutschen Profiligen betont, hier massiv missachtet wird, liegt auf der Hand. Nur, es kümmert niemanden. Die zweite Bundesliga wird für RB Leipzig nur eine Zwischenstation sein, davon muss man ausgehen. Denn der Konzern hat die Zielgabe Champions League ausgegeben – die bestmögliche Plattform, um für die Produkte Red Bulls zu werben. Geld genug ist da für einen schnellen Aufstieg. Sollte es dabei Probleme geben, wird sicherlich schnell nachgerüstet.

Dabei hat Red Bull längst bewiesen, dass man beim Verfolgen der eigenen Ziele keinen Wert auf die traditionellen Werte des Sports und auf ein respektvolles Miteinander innerhalb der Solidargemeinschaft der Vereine legt. Spätestens der Fall „Marcel Sabitzer“ (abseits berichtete online) hat dieses Frühjahr gezeigt, wie rücksichtslos Red Bull seine Filialen nutzt, um seine Interessen durchzusetzen. Diese Rücksichtslosigkeit bringt RB Leipzig nur Vorteile, schließlich sieht das Eventpublikum im Einsatz der Ellenbogen nichts Verwerfliches – der Erfolg heiligt schließlich die Mittel. Bald wird RB Leipzig also in der Bundesliga spielen, die so immer mehr zu einer Liga der finanzkräftigsten Sponsoren und Investoren verkommt. Leipzig gegen Wolfsburg gegen Hoffenheim, die schöne neue Fußballlwelt hat längst den Betrieb aufgenommen. Die Traditionsvereine können mitziehen – oder verschwinden. Dazwischen ist nichts. Suchen wir uns also unsere Seite aus.