Lieber wieder Kickers Emden anstatt Fortuna Düsseldorf?

Der 10. Spieltag ist absolviert, und Eintracht kommt immer noch nicht so richtig in Fahrt. Mit einem zweistelligen Tabellenplatz ist man irgendwie im Nirgendwo gestrandet. Die Leopedia, Euer Online-Fachmagazin für Spiel- und Transfertaktik, versucht sich an einer Analyse.

Okay, als es bei Eintracht hieß, dass diese Saison ein Übergangsjahr würde, habe ich eifrig genickt. Stammspieler haben den Verein verlassen, und trotz verbesserter Finanzlage will der Verein sein Ausgabenniveau nur schrittweise und immer in einem zu verantwortenden Rahmen erhöhen. Das ist nach wie vor richtig und klug und unterscheidet unseren BTSV von Regierungsparteien oder Schalke 04. Aber dass unser Verein nach zehn Spielen auf einem unteren Mittelfeldrang stehen würde – mit zwei Punkten Abstand zu den Abstiegsplätzen – das überrascht dann schon. Denn es ist nicht so, dass man unglücklich Punkte hat liegen lassen, oder nach großem Kampf in einen blöden Konter gelaufen ist, der den späten Siegtreffer der Gäste bedeutet hat. Nein, die aktuelle Tabellensituation ist verdient. Sie entspricht dem, was auf dem Rasen zu sehen ist. Was ist also passiert seit dem Abstieg, seit dem Ausrufen des Neuaufbaus?

1. Systemwechsel

Torsten Lieberknecht war nach dem Abstieg gezwungen, das Spielsystem zu wechseln. Warum? Bisher hatte der Coach auf schnelles Umschalten von Abwehr auf Angriff bei schnellem Überbrücken des Mittelfelds gesetzt – also Kontern über die Außen. Das ist eine Taktik, die besonders dann gut funktioniert, wenn der Gegner von sich aus die Initiative übernimmt. Aber bereits in der Rückrunde der Aufstiegssaison 2012/13 hat dieses System nicht mehr so richtig gegriffen – Eintracht stand ganz oben in der Tabelle, die Gegner nahmen uns ernst, und gegen einen tief stehenden Gegner kann man nicht kontern. Wir erinnern uns an die Spiele dieser Rückrunde, da war wenig von dem Elan und der Frische der Hinrunde zu bemerken. Das lag hauptsächlich daran, dass unsere Gegner uns jetzt kannten und nicht mehr überrascht werden konnten.

Nach dem Abstieg aus der Bundesliga musste ein System her, das Ballbesitz generiert und darauf baut, aus Überlegenheit Chancen und Tore zu produzieren. Dieses System lässt Lieberknecht spielen – mit überschaubarem Erfolg. Das liegt sicherlich auch daran, dass der Druck eines Bundesligaabsteigers deutlich höher liegt als der eines Aufsteigers oder Überraschungsteams der zweiten Bundesliga. Hauptsächlich aber fehlt Lieberknecht das Spielermaterial. Damit kommen wir zu Punkt 2:

2. Transferzurückhaltung

Vorsichtig formuliert: wir transferieren äußerst zurückhaltend. Dass Manager Marc Arnold hier in die Kritik gerät, ist nicht zu verhindern. Sicher, Arnold hat seine Vorgaben – das Gehaltsgefüge darf nicht gesprengt werden, der Ausgabenlevel nur langsam erhöht. Eintracht will kein wirtschaftliches Risiko eingehen. Das ist angesichts der langen Jahrzehnte klammer Kassen vernünftig. Aber mit einem Igel in der Tasche bekommt man leider nicht die Art Spieler, die ein auf Überlegenheit ausgelegtes Spielsystem umsetzen können. Und nur wegen der tollen Stimmung (dazu später mehr) oder Wolters zuliebe kommt kein Spieler nach Braunschweig. Da muss man leider auch mit Geld locken. Aber Eintracht tut sich schwer damit, marktübliche Preise zu bezahlen. Stattdessen werden Spieler ausgeliehen und angenommene Talente verpflichtet. Für diesen Weg aber ist die Erwartungshaltung in Braunschweig mittlerweile längst zu hoch.

Wir meinen, Arnold hat sogar Angst vor Flops. Angesichts der bisherigen Liste an Spielern, die in seiner Amtszeit geholt und uns nicht oder kaum helfen konnten (lockeres Gedächtnisprotokoll: Calamita, Banser, Vucinovic, Fetsch, Merkel, Edwini-Bonsu, Zhang, Erwig-Drüppel, Caligiuri, Jackson, Perthel etc.), ist das vielleicht sogar verständlich. Bei ausgeliehenen Spielern, die nicht einschlagen, kann immer noch gesagt werden: “man gut, dass wir den nicht gekauft haben”. Nicht verschwiegen werden soll aber auch, dass Arnold durchaus auch Erfolge auf dem Transfermarkt zu verzeichnen hat. Der neue Torwart Rafal Gikiewicz zum Beispiel, dessen Verpflichtung viele (auch wir!) kritisch sahen, hat sich bisher als Top-Verpflichtung herausgestellt. Auch Jan Hochscheidt passt hervorragend zur Eintracht und gibt alles. Wer weiß, wie die Saison bisher verlaufen wäre wenn er sich nicht verletzt hätte?

Was die Fans allerdings irritiert, ist dass Torsten Lieberknecht sich immer noch so massiv vor seine Spieler stellt. Einerseits ist es lobenswert, dass der Coach für seine Mannschaft die Prügel einsteckt. Allerdings könnte auch ein klärendes Donnerwetter hilfreich sein. Naja, wer weiß, wie Lieberknecht hinter den Kulissen mit seinen Spielern spricht. Vielleicht ist der Ton da ja schon deutlich rauer, als es Toddes Schmuse-Interviews vermuten lassen?

3. Umfeld

Hat uns der Bundesligaaufstieg eigentlich gut getan? Klar, in dem Jahr konnte einiges an Geld verdient und in die Infrastruktur des Vereins investiert werden, was die generell positive Entwicklung der Eintracht noch einmal beschleunigt und abgesichtert hat. Gut sichtbar ist das an den Erfolgen der Leistungsjugendmannschaften – die U19 steht an der Tabellenspitze der  Nord-Bundesliga, auch die U17 hält sich in der Beletage nach dem Aufstieg wacker. Aus diesen Mannschaften wird sicherlich der eine oder andere Spieler zu den Profis stoßen.

Die aktuelle Unruhe rund um die Eintracht bezieht sich also ausschließlich auf die Erste Herren. Das greift natürlich zu kurz, ist aber nicht ungewöhnlich. Denn natürlich repräsentieren hauptsächlich diese Ersten Herren den Verein. Und deren unerwarteter Bundesligaaufstieg hat die Erwartungshaltung beim Publikum extrem verschoben. Klar, wer seit Jahrzehnten zur Eintracht geht, wird die Situation in der Regel realistisch einschätzen und die Füße relativ still halten. Gerade aber die in den letzten Jahren frisch dazu gekommenen Fans kennen nur die Einbahnstraße nach oben und kommen mit der jetzigen Situation nicht klar. Sie erwarten, dass ein Bundesligaabsteiger automatisch Topfavorit auf den Wiederaufstieg ist. Und natürlich werden sie dann enttäuscht, denn angesichts der Abgänge und der vorsichtigen Neuverpflichtungen war vorher klar, dass bereits ein Platz im oberen Mittelfeld ein Erfolg sein würde.

Allerdings hat auch die Stimmung im Stadion gelitten. Zwar gibt der Neuner nach wie vor alles, aber der Rest des Stadions ist deutlich zu leise. Ein Erklärungsansatz ist, dass außerhalb des Fansektors eben doch viele zu finden sind, deren Erwartungen enttäuscht wurden. Diese Fans zu motivieren, bei einer eher schwachen Vorstellung trotzdem – wie beim BTSV üblich – stimmlich alles zu geben und die Mannschaft zum Erfolg zu schreien, ist erfahrungsgemäß schwer. Allerdings hat auch der eine oder andere Altfan aktuell ein kleines Stimmungstief und hat Schwierigkeiten, sich zur üblichen Form zu motivieren.

Fazit

Da müssen wir jetzt durch. Die Gesamtentwicklung des Vereins ist positiv, das darf nicht übersehen werden. Trotzdem nerven die Schönfärbereien in manchem Interview extrem. Eintracht wird im Winter auf zwei, drei Positionen Neue holen (müssen), die uns sofort weiterhelfen. Dann wird der Level erreicht sein, auf dem man aufbauen kann. Bis dahin müssen wir noch Geduld haben – das hat sich die Vereinsführung einfach verdient. Sollte im Winter allerdings nicht reagiert werden, ist die Kritik nicht mehr aufzuhalten und auf jeden Fall berechtigt.