Eintracht 2015, das ist irgendwie seltsam. Es läuft nicht so richtig bei den Löwen. Von Weiterentwicklung keine Spur, eher das Gegenteil. Und dann spielt man auch noch Aufbauhelfer und lässt den biederen Tabellenletzten mit drei Punkten aus dem Tempel fortziehen. Meckern könnte man da viel, haben wir aber bereits in der Hinrunde ausgiebig gemacht. Die Fehler in der Transferpolitik werden bis zur kommenden Saison nicht ausgebügelt werden können. Bis dahin wird die Eintracht mit dem auskommen müssen, was sie hat. Angesichts der Polster nach oben und unten ist es sogar eine komfortable Situation: ab sofort könnte Torsten Lieberknecht die Spieler einsetzen, mit denen er auch kommende Saison noch planen kann und eigenen Talenten Spielpraxis verschaffen. Doof für Leute wie Hedenstad, Nielsen, Bakenga (eh schon weg), Ryu und Zuck, aber es gibt nur noch wenige Gründe, sie auflaufen zu lassen. Jetzt muss der Blick in die Zukunft gehen.
Aber wenn es derzeit nichts Schönes über die Eintracht zu berichten gibt, dann sprechen wir doch einfach von gestern. Oder vorgestern. Über die gute alte Zeit, das tun wir doch eh so gern. Sprechen wir von unseren ersten Malen. Meins war 1984, am 28. April. Eintracht hatte im Heimspiel den TSV Bayer 04 Leverkusen zu Gast. Außer dem damals 10jährigen Togo wollten noch 11999 andere Zuschauer das Spiel verfolgen – damals eine ziemlich normale Zuschauerzahl. Über 20.000 Zuschauer gab es nur gegen den HSV (Topwert) und den FC Bayern, im Schnitt kamen rund 16.000 zu den Heimspielen. “Cool” wurde Eintracht erst später (und die Zusammenhänge wären wohl mal was für einen eigenen Artikel).
Deutschland 1984: Helmuth Kohl war Kanzler, Jupp Derwall Nationaltrainer, Richard von Weizsäcker wurde in diesem Jahr zum Bundespräsidenten gewählt. In Los Angeles fanden die Olympischen Sommerspiele statt – boykottiert vom Ostblock, als Retourkutsche für 1980, da hat der Westen die Spiele in Moskau boykottiert. Liechtenstein führte das Frauenwahlrecht ein, ab diesem Jahr musste man sich im Auto anschnallen, das Privatfernsehen nahm den Betrieb auf (ob es da einen Zusammenhang gab?). Apple stellte den brandneuen Premieren-Mac vor, zum ersten Mal erreichte eine Email Deutschland. Es ist das Geburtsjahr von Mark Zuckerberg, Arjen Robben, Helene Fischer, Scarlett Johansson, Marc Pfitzner. Und: Eintracht Braunschweig war ein etabliertes Mitglied der Fußball-Bundesliga.
Es war kalt damals Ende April, regnerisch, echtes Scheißwetter. Wir hatten Stehplätze in der Nordkurve, in diesen Jahren ganz normale Plätze für Heimfans. Der Eintracht-Fanblock befand sich auf der Gegengeraden, Nord- und Südkurve waren unüberdachte, mit Pappeln umrandete Stehplatzkurven. Das Stadion hatte schon bessere Zeiten gesehen – der Renovierungsbedarf war bereits 1984 unübersehbar. Aber bis das Stadion, das Anfang der 1980er vom Verein an die Stadt verkauft worden war, nennenswerte Instandsetzungsarbeiten erfuhr, sollte es noch weitere 11 Jahre dauern.
Ich lebte zu diesem Zeitpunkt in Hildesheim und war als 10jähriger zusammen mit meinem Vater dabei. Meine Erinnerungen sind naturgemäß vage. An Stimmung kann ich mich nicht erinnern, auch nicht an Gästefans. Aber an die Pappeln erinnere ich mich noch sehr gut. Und auch daran, dass mir die Trikotfarben gefallen haben. Vom Spiel weiß ich leider nicht mehr viel, was allerdings auch kein Wunder ist, denn die Partie endete torlos 0:0. Die Noten im Kicker von damals lassen aber vermuten, dass es kein sonderliches Offensivfeuerwerk war:
Mieses Wetter, langweiliges Spiel – trotzdem begann an diesem Tag eine Liebe, die jetzt schon 31 Jahre hält und die auch einige Abstiege nicht abkühlen ließ. Allerdings: ein wenig seltsam ist es schon, dass eine der intensivsten und schönsten Zeiten, an die ich mich mit Eintracht erinnern kann, ausgerechnet die sportlich vielleicht mieseste Phase überhaupt war, Mitte / Ende der 1990er…
Mein erstes Mal – das könnte zur Serie werden! Wie war Dein erstes Mal mit Eintracht? Was weißt Du noch, was hat Dich gepackt und nicht mehr losgelassen? Erzähl’ es uns!
Mein erstes Mal Eintracht ?
Da war ich fast 13 und irgendwie schon seit Ewigkeiten Fan.
Warum hat’s dann solange gedauert, bis ich mal im Stadion dabei war ? Ganz einfach – ich kam nicht hin. Und so war mein erstes Eintrachtspiel eigentlich ein Auswärtsspiel.
Meine Eltern beschlossen nämlich ausgerechnet im Meisterschaftsjahr, vom beschaulichen Schöningen an der Zonengrenze in die Nähe von Hamburg umzusiedeln.
Neue Freunde, Einschulung in fremder Umgebung, die gemietete Wohnung nicht frei – zu der Zeit muss es bei uns drunter und drüber gegangen sein, auf jeden Fall hatten weder mein Vater noch mein Großvater (beide Eintrachtfans seit Jahr(zehnt)en) damals Zeit (und Geld?), mit mir den Weg nach Braunschweig anzutreten. Die olle Klitsche, die wir zu der Zeit fuhren, hätte die Strecke wohl auch gar nicht überlebt.
So blieb die Sportschau, immerhin.
Und dann passierte etwas im Jahr 1973, das für Eintracht eine Katastrophe, für mich zumindest in dieser Saison ein großes Glück darstellte – der Abstieg in die damalige Regionalliga Nord.
Eigentlich überhaupt kein Grund zu jubeln, wenn nicht just für diese Spielzeit “mein” damaliger Heimatverein, der VfL Pinneberg – als “One-Season-Wonder” sozusagen – den Aufstieg in die Zweitklassigkeit geschafft hätte.
Meine hoffnungsvolle Karriere als Torwart hatte gerade begonnen, und mir bot sich die einmalige Chance, meinem Idol, Bernd Franke, im Stadion am Rosengarten in Pinneberg ganz nah zu sein.
Es war der zweite Spieltag, bestes Wetter und ein volles Stadion boten grandiose Voraussetzungen für das Spiel des Jahres. Das war es zumindest für mich, für den Verein und für die ganze Stadt.
Die Schleswig-Holsteiner Underdogs verloren die Begegnung knapp mit 2 : 4 und konnten trotzdem stolz auf ihre Leistung sein. Gegen die Übermächtigen gut abgeschnitten, tolle Atmosphäre im kleinen Pinneberger Oval und zwei Autogramme für mich vom Adler. Viel mehr ging damals nicht.
So war mein erstes Eintrachtspiel irgendwie sowohl ein Auswärts- als auch gleichzeitig ein Heimspiel.
Klingt komisch, war aber gefühlt so. Und Grund genug, sich immer wieder gern daran zu erinnern.
Dass bis zu meinem ersten Besuch im Braunschweiger Tempel weitere Jahre vergehen sollten, ist wieder eine ganz andere Geschichte …