Es war wohl die Dummheit seines Lebens: ein bisher nicht identifzierter Zuschauer hat am vergangenen Montag beim Pokalspiel des VfL Osnabrück gegen Red Bull Leipzig mal eben den Schiri abgeworfen. Mit einem Feuerzeug. Und das auch noch, als der VfL kurz vor Schluss 1:0 führte. Der DFB hat schnell reagiert und die Partie mit 2:0 für den Plastikklub gewertet. Damit macht es sich der Verband aber sehr einfach. Zu einfach.
Die Leopedia, Euer Online-Fachmagazin für Verbandsrechtsphilosophie, hält die Entscheidung des Verbands für falsch und gefährlich. Es mag sein, dass die Statuten des DFB eine solche Wertung vorsehen, aber dann sind diese Statuten kurzsichtig und bieten viel Platz für Missbrauch. Wir meinen: ein Wiederholungsspiel, unter Ausschluss der Öffentlichkeit und irgendwo auf halber Strecke, wäre richtig gewesen. Damit das Ergebnis sportlich zustande kommt. So bleibt nicht nur der Makel, dass das Team, das sportlich wohl ausgeschieden wäre, ohne eigenes Zutun die zweite Runde erreicht hat. Es bleiben auch viele Zweifel, denn die Geschichte in Osnabrück ist bisher alles andere als klar durchschaubar.
Der Werfer ist bisher nicht zu ermitteln gewesen, obwohl es Videoaufnahmen geben soll und genügend Zeugen. Trotzdem unterstellt der DFB dem VfL vor Feststellung der Identität des Werfers die Schuld am Wurf und wertet das Spiel für Red Bull Leipzig. Diese Rechtsauffassung ist brandgefährlich, denn sie offenbart eine schlimme Lücke: was ist, wenn der Werfer kein Fan des VfL Osnabrück war, sondern ein einmaliger Besucher oder sogar dem gegnerischen Lager zuzurechnen ist? Auf den ersten Blick ist diese Variante nicht allzu wahrscheinlich, auch weil aus dem Osnabrücker Block an dem Tag einiges geflogen kam. Aber wohl jeder von uns hat in einem fremden Stadion auch schon einmal im gegnerischen Block gestanden. Was passiert also, wenn der Werfer ermittelt wird und es sich herausstellt, dass er Gästefan war? Wird der DFB sein Urteil dann kassieren und neu auslosen lassen?
In den sozialen Medien macht die Variant, dass der Werfer kein Osnabrücker gewesen sein muss, bereits seit Montagabend die Runde. Und solange die Identität nicht festgestellt wurde, werden die Zweifel bleiben. Außerdem: Ist die Phantasielosigkeit der Verbände und die Neigung, Verantwortung abzuwälzen, nicht vielleicht sogar eine Art Joker für unterlegene Teams? Bei wichtigen Spielen einfach zwei, drei Maulwürfe im gegnerischen Block postieren, und wenn es schlecht läuft, wird ein Spielabbruch provoziert? Das klingt erst einmal verrückt und weit her geholt. Aber, die Rechtsprechung des DFB lässt eine solche Denke ausdrücklich zu, weil der Verband gar kein Interesse daran hat zu erfahren, wer der Verursacher war. Ihm reicht es, den Ausrichter zu bestrafen. Denn der ist Schuld wegen angeblich zu lascher Sicherheitsvorkehrungen. Passiert der Ärger in der Gästekurve, wird man in Frankfurt aber manchmal schon etwas erfinderischer. Aber nicht viel.
Diese Form der Sippenhaftung (Heimblock = Heimverein ist zu verurteilen etc.) ist eines Rechtstaats unwürdig. Auch Sportverbände stehen, trotz ihrer anderslautenden Teilnahmebedingungen, nicht außerhalb geltenden Rechts. Claudia Pechsteins erfolgreicher Kampf gegen die ihre Karriere zerstörende Dopingsperre muss auch in anderen Sportarten als Beispiel gelten, den allmächtig wirkenden Verbänden die Stirn zu bieten. Am besten vor einem ordentlichen Gericht. Zumindest solange, bis die Sportverbände ihre Rechtsprechung angepasst haben und bereit sind, die gleichen Maßstäbe bei ihren Urteilen anzulegen wie es zivile Gerichte tun. Denn dort kennt man diese Art der Veranstalterhaftung aus gutem Grund so nicht. Weil niemand für das nicht veranlasste Handeln eines anderen verantwortlich ist.