So etwas hat es in der langen Geschichte der Fußball-Bundesliga noch nicht gegeben: Obwohl Schiedsrichter Guido Winkmann das Kellerduell zwischen dem FSV Mainz 05 und dem SC Freiburg bereits mit dem Halbzeitpfiff unterbrochen hatte, mussten die Freiburger Spieler noch einmal aus den Kabinen zurück auf den Platz. Der Grund: Winkmann hat nachträglich auf einen Handelfmeter für Mainz entschieden. Und der wurde faktisch in der Halbzeitpause ausgeführt. Mainz traf.

Was war eigentlich passiert? Kurz vor der Pause hatte Freiburgs Marc Oliver Kempf einen Schuss des Mainzers Daniel Brosinski mit der linken Hand abgefälscht. Schiri Winkmann nahm die Szene wahr, bewertete das Handspiel als nicht Strafstoß-würdig und pfiff zur Halbzeit. Eine klassische Tatsachenentscheidung, dazu beendete der Pausenpfiff die erste Hälfte.

Video-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus sah das allerdings anders. Sie bewertete das Handspiel als absichtlich und teilte das Schiri Winkmann mit. Der eilte zum Videoschirm, schaute sich die Szene dort noch einmal aus anderer Perspektive an und revidierte seine Entscheidung. Strafstoß nach Videobeweis! Allerdings hatte Winkmann Minuten vorher zur Pause gepfiffen, die Freiburger Spieler waren bereits in der Kabine. Also beorderte Winkmann die Gäste zurück auf den Platz.

Gleich vorweg: die Regeln geben diesen Ablauf her. Steinhaus griff ein, weil sie eine klare Fehlentscheidung sah – das kann man so sehen, der Arm von Kempf stand doch etwas weit ab vom Körper (auch wenn jeder Fußballer weiß, dass das noch keine Absicht darstellen muss). Das Abfälschen war zwar minimal und Freiburgs Keeper Schwolow hätte den Ball so oder so abgewehrt. Aber die Berührung war da, Steinhaus’ Bewertung also diskutabel, aber nachvollziehbar. Dazu bedeutet ein Pausenpfiff im Gegensatz zum Schlusspfiff lediglich eine Spielunterbrechung – nach Abpfiff der zweiten Halbzeit hätte Steinhaus also nicht mehr eingreifen können, in dieser Situation aber war es die nächste Unterbrechung.

Also alles regelkonform? Ja, absolut. Und doch bleibt da ein bitterer Nachgeschmack. Denn natürlich bedeutet ein Halbzeitpfiff mehr als nur eine Spielunterbrechung. Die Körperspannung lässt nach, der Kopf macht Pause. In diesem Zustand der Entspannung musste Schwolow plötzlich zurück ins Tor und einen Elfmeter parieren. Dass ihm das dann nicht gelang, wird ihm niemand verübeln. Dazu wurde das bisherige Königsargument, die Tatsachenentscheidung, wieder ein weiteres Stück demontiert. Wer ist eigentlich der Boss, der Schiri auf dem Platz oder der am Videoschirm in Köln?

Der Videobeweis ist in seinem ersten Jahr um eine Anekdote reicher. Dass es ihm schadet, ist nicht anzunehmen. Er ist da, und er wird bleiben. Deshalb ist es umso wichtiger, jetzt schnell zu verlässlichen Abläufen zu kommen. Und: zu Auslegungen, die nicht nur den Regeln genügen, sondern auch dem Sportsgeist. Denn, dass eine Mannschaft, die bereits das Spielfeld verlassen hat, noch einmal auflaufen muss, ist wenigstens unglücklich. So etwas darf sich nicht wiederholen. Ansonsten wird der Video-Schiri ein Zeichen geben müssen, dass die Teams in die Pause gehen dürfen. Die Folge wäre eine weitere Abwertung des Schiedsrichters auf dem Platz. Und als das war der Videobeweis nie gedacht.