Die Saison 2024/25 in der Zweiten Fußball-Bundesliga läuft, und es ist Zeit, sich den Kader der Eintracht – der erste, den Benni Kessel zu verantworten hat – einmal genauer anzuschauen. Die LEOPEDIA, Euer Online-Fachmagazin für rund, eckig und Fliegenfang, analysiert heute die Torhüter des BTSV. Aber Vorsicht: Is’ long, man!
Die Ursprungssituation: Ron Thorben Hoffmann ist dem Ruf des FC Schalke 04 erlegen. Es ist überflüssig, darüber zu diskutieren, ob er das hätte tun sollen oder nicht, er hat es getan. Mit ihm verließ die Eintracht einer der stärksten Keeper der abgelaufenen Saison. Man muss kein Prophet sein um zu behaupten: Hoffmann war der Garant für den Klassenerhalt. Nicht nur wegen seiner vielen starken Paraden, auch und gerade deshalb, weil er mit seinem Stellungsspiel und vielen deutlichen Ansagen für Sicherheit bei den Verteidigern gesorgt hat. Hier zeigt sich, wie wichtig der Torwart für ein Mannschaftsgefüge ist, denn sichere Verteidiger erlauben es Mittelfeld und Sturm, konzentrierter an ihre Aufgaben heranzugehen.
Tino Casali
Der Plan war, dass Tino Casali hinten für Kasalla sorgt. Zuzutrauen ist es dem Österreicher, der anfangs der vergangenen Saison vom SCR Altach kam und sich im Laufe der Spielzeit als hervorragende Nummer zwei entpuppte: Mit starken Trainingsleistungen machte er Druck auf Hoffmann, der seinerseits Gas geben musste und immer stärker wurde. Casali kam zwar nur in einer einzigen Partie zum Einsatz (22. Spieltag, 0:1 beim FC St. Pauli), machte seine Sache dort aber gut. Ein großer Unterschied zwischen den beiden Keepern war nicht festzustellen, also war es folgerichtig, mit Casali als Nummer 1a zu planen. Dass er sich in der Vorbereitung erst in guter Form präsentierte und sich dann schwer verletzte, war nicht weniger als eine Tragödie für Casali und die Eintracht.
Lennart Grill
Auch die Nummer 1b war gut überlegt: Lennart Grill, 25, wurde vom 1.FC Union Berlin ausgeliehen. Grill feierte seinen Durchbruch beim 1.FC Kaiserslautern, wo er als 20-Jähriger am 26. Januar 2019 im Drittligamatch gegen die SG Sonnenhof Großaspach (2:0) debütierte. Ab diesem Moment war Grill bei den Pfälzern gesetzt und sammelte in der Folge Erfahrung in insgesamt 54 Pflichtspielen. Sein Talent blieb natürlich nicht unbemerkt, Bayer Leverkusen sicherte sich die Dienste des U21-Nationalkeepers und trug mit der Zahlung von zwei Millionen Euro Ablöse ein wenig was zur Rettung des FCK bei.
Zwar zeigte Grill auch unterm Bayerkreuz seine Leistung, kam aber im ersten Jahr lediglich zu vier Einsätzen – zu wenig für das große Talent. Es folgte eine halbjährige Leihe an den Fjord zu Brann Bergen (bis Jahresende 2021), schließlich lieh Union Berlin den immer noch jungen Keeper zur Spielzeit 2022/23 aus. Glücklich wurde Grill auch hier nicht: In der Spielzeit kam er auf lediglich acht Partien (fünf in der Bundesliga, zwei im Pokal, eine im Europapokal). Aber Union ging die Wette auf die Zukunft des Keepers trotzdem ein und zog die Kaufoption. Damit Grill Spielpraxis bekommt, verlieh Union den Torwart an den VfL Osnabrück – der offensichtliche Beginn der Probleme für diesen begabten Schlussmann. Denn an der Hase wurde das Talent gebrochen. Wie das geschah und warum, darüber schweigen die Protagonisten. Fakt ist: Nach 15 Partien im Tor des VfL mit einer soliden Durchschnittsnote von 2,93 sowie zwei Berufungen in die Elf des Spieltags wurde Grill Opfer des Aktionismus von Neu-Trainer Uwe Koschinat. Der setzte den vorher bei weitem nicht enttäuschenden Grill auf die Bank und stellte den 31-jährigen Aufstiegstorwart Philipp Kühn zwischen die Pfosten. Besser wurde die Situation für die Lila-Weißen dadurch zwar nicht, dafür starb in Lennart Grill etwas ab: Sein Selbstvertrauen!
Nach einer frustrierenden Rückrunde kehrte Grill zurück nach Köpenick. Dort wurde schnell erkannt, dass der Junge eine Portion Selbstbewusstsein braucht, also wurde die vierte Leihe in vier Jahren angebahnt: Zur Eintracht, wo er unter Umständen bleiben könnte, wenn er eine gewisse Anzahl an Partien schafft. Die ersten beiden Partien auf Schalke (1:5) und gegen Magdeburg (1:3) liefen allerdings durchwachsen. In Gelsenkirchen, wo Vorgänger Hoffmann mittlerweile selbst nur auf der Bank sitzt, gelang Grill nicht viel. Er konnte keine Ruhe ausstrahlen, der Verteidigung keine Sicherheit vermitteln. Zwar fiel das Ergebnis um zwei Tore zu hoch aus, verdient war die Niederlage aufgrund des Spielverlaufs aber dennoch. Gegen Magdeburg steigerte sich Grill allerdings bereits merklich, auch wenn er beim 0:2 nicht gut aussah. Dass das 0:3 dann nicht hätte zählen dürfen, ist Kriegsgeschichte, auch wenn die Begründung für die Anerkennung des Treffers klingt wie aus einem Till-Eulenspiegel-Buch: Der Ball sei vom Braunschweiger gekommen. Seit Jahrzehnten gilt, dass Anschießen keine neue Spielsituation schafft, warum also dieses Mal?
Prognose: Grill wird weiter im Tor bleiben, auch wenn er noch merklich nervös ist. Die LEOPEDIA, Euer Online-Fachmagazin für Nervenflattern und Tatteriche, ist überzeugt, dass Lennart Grill schon bald zu dem sicheren Rückhalt wird, der er sein kann. Denn, sind wir doch bitte objektiv: Der Junge kann es. Sogar verdammt gut, er braucht vielleicht “nur” Rückhalt und eine feste sportliche Heimat. Und: Es reicht bereits, dass er zu normaler Form zurückfindet, damit er der Mannschaft massiv weiterhilft.
Die Bank
Als Ersatztorwart fungierte am Sonntag Marko Johannson. Der 25-Jährige kam erst kurz zuvor vom Hamburger SV an die Oker und verdrängte den 21 Jahre jungen Justin Duda von der Bank. Da auch der erst 17-jährige Leon Herdes zum Profikader gehört, ist der Schwede bereits Torwart Nummer fünf.
Johannson war bis zu seinem Wechsel zum HSV im Sommer 2021 in Schweden durchaus eine Hausnummer. Bis zum Transfer hat der damals 22-Jährige, der aus der Jugend von Malmö FF stammt, in seinem Heimatland bereits 73 Erstliga- und 59 Zweitligapartien bestritten, dazu vier Spiele in der Qualifikation zur Europa League sowie ein Einsatz (als 16-Jähriger) in der Champions League. Mit der Unterschrift an der Elbe aber endete auch für Johannson diese Ära der Spielpraxis: Bereits ein Jahr und sieben Einsätze später galt der Schwede als aussortiert und wurde schnellstmöglich nach Bochum wegverliehen. Von dort kam er zur neuen Saison ohne Einsatz zurück nach Hamburg, nur um wieder verliehen zu werden: nach Schweden, zu Halmstads BK (11 Partien bis zum Jahresende). Der VfL Osnabrück, wo Johannson vor der Saison vorgespielt hatte, nahm übrigens von einer Leihe Abstand und holte stattdessen… Lennart Grill.
Kaum wieder in Hamburg, ging es für den früheren schwedischen Jugendnationalspieler gleich weiter auf Wanderschaft: zu Hansa Rostock. Bei der Kogge kam er allerdings nicht an Stammkeeper Markus Kolke vorbei und blieb ohne Einsatz. Am Ende stieg auch Rostock ab.
Jetzt ist Johannson also bei Eintracht. Man darf davon ausgehen, dass der HSV dem Torhüter keine Steine in den Weg gelegt haben wird und die finanziellen Konditionen des Wechsels für Eintracht gut zu stemmen sein sollten. Dazu hat der Schwede lediglich einen Einjahresvertrag erhalten, das Risiko ist also überschaubar. Auch Johannson ist einer, der gezeigt hat, dass er es kann, dann aber durch einen (zu frühen?) Wechsel aus dem Tritt kam. Wir werden sehen, wie er sich entwickelt. Dass er das Potenzial hat für die Zweite Bundesliga, ist unbestritten. Auch Marko braucht, genauso wie Lennart Grill, neues Selbstvertrauen, nachdem er drei äußerst wechselhafte Jahre hinter sich hat.
Fazit
Der ursprüngliche Plan, Tino Casali und Lennart Grill um den Platz im Tor kämpfen zu lassen und durch diese Konkurrenzsituation beide zu Leistungssteigerungen anzustacheln, war der richtige. Niemand konnte ahnen, dass Casali sich kurz vor Saisonstart schwer verletzt und die gesamte Planung damit obsolet wird. Dass Grill dann ohne Duell ins Tor rückte, war folgerichtig. Mit Johannson gibt es jetzt wieder einen Herausforderer, der mit Grill einiges gemeinsam hat: früher Wechsel zu einem zu großen Club, dann kaum Spielpraxis und eine wahre Leihorgie. Beide Keeper haben unglaublich viel Potenzial und gleichzeitig wenig Selbstvertrauen. Der erste der beiden, der dieses Problem in den Griff bekommt, wird die Saison zu Ende spielen. Hierbei sehen wir Grill ein Stück weiter vorn. Ein weiterer Handlungsbedarf besteht nicht.