Mit dem heutigen vierten Teil des Kaderchecks schließt die LEOPEDIA, Euer Online-Fachmagazin für Meteorologie und Klima, die Analyse des Kaders von Fußball-Zweitligist Eintracht Braunschweig ab. Und wie es sich für Spitzen-Meteorologen gehört, dreht sich heute alles um den Sturm. Falls Ihr die ersten drei Teile verpasst haben solltet: Kein Problem, die sind immer noch und natürlich kostenlos lesbar: Die Torhüter, die Abwehr, das Mittelfeld.
Die Ursprungssituation
Mit Anthony Ujah verließ ein außergewöhnlicher Mensch die Eintracht. Der sympatische und gleichzeitig immer professionelle Nigerianer war im August ’22 von Union Berlin an die Oker gekommen und erwies sich sowohl charakterlich als auch sportlich als Volltreffer. In seiner ersten Saison erzielte Ujah zehn Treffer in 29 Spielen und leistete damit einen wichtigen Beitrag zum Klassenerhalt der Löwen. Die Folgespielzeit aber verlief für den heute 33-Jährigen vergessenswürdig. Erst sprach nichts dagegen, dass Ujah auch in dieser Spielzeit Stammspieler sein würde. Am siebten Spieltag aber änderte sich alles: In einer überragenden Partie gelangen dem Stürmer zwei Treffer gegen den 1.FC Nürnberg, anschließend vergab Ujah sogar noch die Chance auf den 3:2-Siegtreffer. In der 94. Minute aber wurde er vom herauseilenden Nürnberger Keeper Christian Mathenia im Luftkampf rücksichtslos abgeräumt – andere Clubs hätten hier wohl einen Strafstoß zugesprochen bekommen, für die Eintracht aber blieb lediglich, ihren prominentesten Stürmer verletzt auszuwechseln. Später wurde bei Anthony Ujah eine Schultereckgelenksprengung diagnostiziert – eine schmerzhafte, schwere Verletzung, die den Angreifer zum Pausieren zwang. Als Ujah nach der Winterpause zurück aufs Feld konnte, hatte er seinen Stammplatz verloren: Der neue Trainer Daniel Scherning, der im November für den erfolgs- und emotionslosen Jens Härtel übernommen hatte, war gezwungen, ohne ihn spielen zu lassen, und besonders Rayan Philippe nutzte seine Chance eindrucksvoll (acht Treffer in 25 Partien). In der Rückrunde kam Ujah, dessen Spielstil nicht mehr zum Auftreten des Teams passte, nur noch als Ergänzungsspieler eingesetzt. Der zum Saisonende auslaufende Vertrag wurde mangels sportlicher Perspektiven nicht verlängert, auch wenn überall spürbar war, dass man sich menschlich eine andere Lösung gewünscht hätte.
Gab es Veränderungen? Der dann erfolgreiche Sturm Philippe / Johan Gomez blieb zusammen, auch Fabio Kaufmann als Dampfmacher auf den Außen verlängerte. Den verletzungsanfälligen Luc Ihorst zog es nach Unterhaching, der glücklose Fabian Krüger kehrte zurück in die niederländische Eredivisie zum Trots van het Noorden, dem FC Groningen.
Die Neuen
Mit den Verpflichtungen von Christian Conteh (25, Rechtsaußen, vom VfL Osnabrück) und Levente Szabo (25, Mittelstürmer, Fehervar FC, früher bekannt als Videoton Szekesfehervar) wurden interessante Spielertypen neu verpflichtet. Conteh ist ein schneller Umschaltspieler für die Außenbahn, während Szabo ein typischer “in-the-box”-Typ ist und mit seinen Gardemaßen (1,95 Meter) jemand ist, den man gerade bei Standards gut einsetzen können sollte.
Bisher
Eintrachts Sturm ist derzeit nicht einmal ein laues Lüftchen. Drei Treffer in drei Liga- und einem Pokalspiel sind kein überzeugender Leistungsnachweis, zumal besonders Conteh noch nicht wirklich die Chance hatte, sich einzubringen. Aber: Mehr als jeder andere Mannschaftsteil lebt die Abteilung Attacke davon, in Szene gesetzt zu werden. Kein Angreifer kann ständig bis zum eigenen 16er zurückeilen und sich dort den Ball holen – abgesehen davon, dass ihm dann sicherlich kaum gelingen wird, das Leder bis zum gegnerischen Kasten zu tragen. Die Stürmer benötigen Flanken, Anspiele, Standards. Und genau da hapert es bisher, Gomez und Philippe hängen quasi in der Luft, weil sie kaum gefüttert werden.
Fazit
Eine Baustelle im Sturm sehen wir derzeit nicht – die Probleme der Eintracht sind anderswo zu finden und sollten zeitnah auch angegangen worden sein. Die Rückkehr von Hasan Kurucay könnte einiges an Druck von der Abwehr nehmen und so weitere Möglichkeiten bieten, die Offensivspieler in Szene zu setzen. Dabei sollten die Fans ihm verzeihen, dass er Eintrachts Angebot auf eine Vertragsverlängerung zuerst ausgeschlagen hatte – ein Profifußballer schaut in der Regel nun einmal auch danach, wie und wo er am meisten Geld verdienen kann. Und sollte sogar noch die Rückkehr von Thorir Helgason gelingen, hätte Eintracht in der Kommandozentrale nicht nur einen spielstarken und intelligenten Ideengeber, sondern auch einen, der sich an der Oker pudelwohl fühlt und der maximal motiviert sein dürfte. Aber: Alles steht und fällt mit der Entwicklung auf den Außen. Wenn hier zeitnah Stabilität ins Eintracht-Spiel gebracht werden kann, ist der Kader absolut konkurrenzfähig. Falls nicht, muss sich Trainer Scherning einen Plan B, eine andere Taktik, ausdenken. Eine, bei der es nicht reicht, die Außenverteidiger unter Druck zu setzen, um Eintrachts Offensivspiel lahmzulegen.