Alarmstimmung bei Volkswagen! Besonders die Kernmarke ist betroffen von Absatzeinbußen und außer Kontrolle geratenen Kosten. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit: die Finanzen. Je nach Medium und Quelle variiert der Fehlbetrag in den Kassen des Autobauers VW zwischen vier und zehn Milliarden Euro, wobei diese Zahlen oft auf unterschiedlichen Zeiträumen basieren. Fakt ist aber: Volkswagen muss dringend sparen. Jede unnötige oder überzogene Ausgabe steht auf dem Prüfstand, damit der Konzern wieder wirtschaftlich arbeitet und nicht Gefahr läuft, empfindliche Einschnitte vornehmen zu müssen.
Schwerste Krise seit Bestehen
Volkswagen befindet sich mutmaßlich in der schwersten Krise seit Bestehen. Wohl jeder von uns kennt jemanden, dessen Existenz direkt oder indirekt von VWs Wohl und Wehe abhängt – wenn es ihn nicht sogar selbst betrifft. Weltweit beschäftigt der Konzern nach eigenen Angaben um die 675.000 Menschen, fast zehn Prozent davon im Stammwerk in Wolfsburg. Volkswagen hat bereits den Tarifvertrag aufgekündigt und hat damit die Möglichkeiten für Entlassungen im kommenden Jahr geschaffen. Bisher hat der Konzern Beschäftigtigungszahlen über das Auslaufenlassen von Zeitverträgen abgebaut. Entlassungen von fest angestellten Mitarbeitern wären ein trauriges Novum. Ein Novum, das es zu verhindern gilt.
Sponsoring steht auf dem Prüfstand
Neben allen mittlerweile diskutierten Sparmöglichkeiten gibt es eine, die unvermeidbar scheint: Freiwilliges Sponsoring. In den vergangenen, wirtschaftlich soliden, Jahrzehnten hat Volkswagen viel Geld in Sportunterstützung gesteckt – mal aus Gründen der CSR, mal, weil man weiche Standortfaktoren für die Anwerbung von Fachkräften schaffen wollte.Besonders aktiv ist Volkswagen beim Fußball, hier ist man Sponsor des DFB sowie des DFB-Pokals, außerdem unterstützt man mit kleineren Summen Clubs an den unterschiedlichen Werksstandorten. Deutlich mehr Geld allerdings landet in der eigenen “Betriebssportgemeinschaft”: Seit 2007 ist man alleiniger Anteilseigner der VfL Wolfsburg Fußball GmbH und hat seit dessen Zweitligaaufstieg der Ersten Herren 1992 vorsichtig geschätzt etwa 1,5 bis 2 Milliarden Euro in den VfL, der seit 2003 auch eine Profi-Frauenfußballmannschaft unterhält, gesteckt. Genaue Zahlen sind hier allerdings nicht bekannt. In der aktuellen Saison sollen es um die 70 Millionen Euro sein – gut zehn Millionen mehr als in der vergangenen Saison. Zahlen, die so gar nicht zum Sparzwang und der Androhung von Werksschließungen und Entlassungen passen will.
Negative Werbung durch den VfL Wolfsburg
Der Gegenwert, den Volkswagen dafür bekommt, ist schwer zu beziffern. Einerseits sind weiche Standortfaktoren wie ein Profi-Sportangebot vor Ort wichtige, nicht bezifferbare Argumente, wenn es darum geht, bei Spitzenarbeitskräften zu punkten. Aber: Der Sponsoringeffekt des VfL dürfte sogar negativ einzuschätzen sein. Natürlich gibt es mittlerweile den einen oder anderen, der sich als VfL-Fan bezeichnen würde. Der Großteil derer, die sich für Fußball interessieren (das zumindest legen eine Vielzahl an Umfragen und empirischen Erhebungen nahe), lehnen den VfL allerdings ab. Die Gründe dafür sind kein Geheimnis und brauchen hier nicht wiederholt zu werden. Bei Fußballfans punktet Volkswagen also vielleicht mit seiner Unterstützung des DFB und des Pokalwettbewerbs. Der größte Kostenfaktor, der VfL, dagegen wirkt eher negativ auf die Zustimmungswerte der Marke VW. Und Menschen, denen Fußball egal ist? Denen ist auch egal, was Volkswagen hier an Geld investiert.
Ausstieg kaum darstellbar
Aussteigen aus dem VfL Wolfsburg aber kann Volkswagen auch nicht so ohne weiteres. Man ist alleiniger Eigentümer der Anteile an der GmbH, und diese Anteile sind auf dem freien Markt wohl kaum verkaufbar – zu sehr sind beide Marken, VW und VfL, miteinander verwoben. Außerdem, wenn ein finanzstarker Weltkonzern wie Volkswagen es in all den Jahren nicht geschafft hat, dass der VfL sich selbst trägt, wie soll es dann ein Investor schaffen? Der VfL ist außerhalb der Werksmauern ein totes Pferd, das niemand reiten kann – und will.
VfL muss erwachsen werden
Trotzdem muss Volkswagen auch hier den Rotstift ansetzen. Auf lange Sicht, denn an Wunder in Form einer schnellen Gesundung glaubt man auch im VW-Vorstand nicht. Aber wie kommt man aus dieser Zwickmühle heraus? Nach meiner Einschätzung wird der Konzern handeln müssen. Die Kooperation mit dem DFB ist dabei unproblematisch – als Mobilitätspartner ist diese positiv belegt und wirbt tatsächlich für die Produkte. Der VfL Wolfsburg aber wird lernen müssen, auf eigenen Beinen zu stehen. 70 Millionen Euro im Jahr sind vielleicht nicht die Welt im Zusammenhang mit den nötigen Einsparungen, aber eben doch ein notwendiger Beitrag dazu. Außerdem ist es wohl keinem VW-Arbeiter zu vermitteln, wenn er seine Existenz verliert, der Profifußball aber unverändert gepampert wird.
Paritätische Verteilung der “Liebe”
Ein gangbarer Weg wäre, dass Volkswagen die Zahlungen an die tatsächliche Präsenz und Wahrnehmung des VfL Wolfsburg anpasst. Ein Überblick über die Summen, die ein Trikotsponsor in der Bundesliga so zahlt, zeigt: Realistisch ist die Brust des VfL etwa vier Millionen Euro wert, pro Saison. Selbst dann, wenn man hier die GmbH-Thematik mit einbezieht, sind zweistellige Summen absurd – gemessen an dem Geld, das Volkswagen bisher in den VfL gesteckt hat, ist der Output also verschwindend gering. Die eingesparten Summen können einerseits zum Defizit-Abbau beitragen, andererseits aber auch einen Volkswagen-weiten Zankapfel aus der Welt schaffen. Denn außerhalb Wolfsburgs hat man es nie verstanden, warum Volkswagen den VfL derart überdimensioniert pusht, gleichzeitig aber an den anderen deutschen Werksstandorten knausert. Nur ein Beispiel: Als der damalige Drittligist Kickers Emden 2009 in finanziell unruhige Fahrwasser geriet, hätte VW quasi aus der Portokasse helfen können, das sportliche Aushängeschild der Seehafenstadt vor dem Absturz zu bewahren. Stattdessen zog man sich auf Konzernrichtlinien zurück und ließ den Verein über die Klinge springen. Insolvenz – bis in die sechste Liga musste Kickers runter. Mittlerweile hat es der Club zumindest wieder in die Regionalliga geschafft. Ohne einen sonderlichen Beitrag Volkswagens, auch wenn das dortige Werk mehr als 8000 Mitarbeiter zählt. Dass Volkswagen die Kickers (und damit Ostfriesland) im Stich gelassen hat, ist dort noch lange nicht vergessen. Ein neues Sponsoringsystem, das deutlich paritätischer ausgelegt ist, könnte also nicht nur Geld sparen, sondern würde auch viel fairer mit den Interessen der Mitarbeiter umgehen. Deren Hauptinteresse aber ist zweifelsfrei, ihren Job zu behalten. Auch deshalb geht bei VW kein Weg drum herum, Geld zu sparen, wo es geht. Und beim VfL Wolfsburg geht es.